Die Tigerin
schnurrte
sie. »Was wollen die beiden, Süßer ?« gurgelte sie den
Löwenbändiger an. »Noch ’ne Trauerfeier?«
Mit einiger Mühe setzte sie
sich auf, und ich bemerkte einen Ausdruck von Befriedigung in ihren Augen, der
zu dem sanften Geschnurr in ihrer Stimme paßte . Ihre Kleider sahen etwas zerdrückt aus, und dunkle
rote Flecken zeichneten sich auf ihren sanften runden Wangen ab. Ich hatte den
Eindruck, als ob Baker seine Tierbändigerkünste , die
er am Morgen im Tigerkäfig zur Anwendung gebracht hatte, weiterhin erfolgreich
unter Beweis gestellt hatte. Möglicherweise hatte er heute nachmittag eine Tigerin gezähmt, nur daß diese
Tigerin hier niemals lange Zeit zahm bleiben würde.
»Hier wären wir also«, sagte
Baker ruppig. »Sie wollen also mit mir reden. Los, fangen Sie an, und kommen
Sie zu Ende damit !«
»Kein Grund zur Eile«, sagte
ich und ließ mir zum Beweis betont Zeit, um eine Zigarette anzuzünden.
Thorros schmales Gesicht war wie eine
hölzerne Maske. Aber irgend etwas beinahe Erschreckendes ging hinter seinen Augen vor sich, als er mich
unverwandt anstarrte.
»Mir geht es nur um die Antwort
auf eine Frage, Lieutenant«, sagte er ruhig. »Ist Baker der Mann, mit dem
Bernice zusammen war — ?« Seine Lippen preßten sich
voll Abscheu über die nun folgenden Worte zusammen: »Ist er der Mann, mit dem
sie mich hintergangen hat ?«
»Immer mit der Ruhe, Doktor«,
sagte ich. »Vielleicht werden Sie es herausbekommen .«
Tania trank ihr Glas aus und
hielt es mit einer fordernden Geste Baker hin.
»Wenn Du noch was trinken
willst, bediene Dich selber«, sagte er gleichgültig.
Die vertraute arktische Kälte
kehrte in ihre blauen Augen zurück, als sie ihn einige Sekunden lang böse
anstarrte. Dann erhob sie sich von der Couch, ging die Hüften lässig
schaukelnd, zur Theke. Einen Augenblick später drehte sie sich um und starrte,
plötzlich eine Whiskyflasche in der Hand, Baker aufs neue an.
»Die Party ist zu Ende«, sagte
sie mit spröder Stimme. »Das wolltest du doch wohl sagen, Süßer ?«
»Du merkst auch alles«, sagte
er verächtlich.
»Du bist ein mächtig tapferer
Mann, Hal .« Ihre Lippen verzogen sich zu etwas
Ähnlichem wie einem Lächeln. »Tapfer — ehrlich — und blöde! Du denkst wohl, ich
bin wie der Rest deiner Raubkatzen — die du, wenn du mit ihnen fertig bist, bis
zum nächsten Mal in ihren Käfig einsperren kannst. Das klappt bei mir nicht,
Süßer, das wirst du noch merken .«
»Was, zum Kuckuck, meinst du
damit ?« fuhr er sie an.
»Das wirst du schon merken«,
wiederholte sie, während sie Whisky in das Glas schüttete, bis es bis zum Rand
voll war. »Warte nur, Süßer, vielleicht gibt es für dich eine gewaltige
Überraschung .«
Baker betrachtete sie
mißtrauisch und zuckte dann ungeduldig die Schultern. »Ich habe mir schon, ohne
daß du auch noch daherkommst, ausreichend Anspielungen vom Lieutenant anhören
müssen .« Baker wandte seine Aufmerksamkeit mir zu.
»Für jemanden, dem es sozusagen auf der Zunge brennt, lassen Sie sich aber
mächtig lange Zeit, Wheeler .«
»In diesen letzten zwei Tagen
habe ich mich auf der Suche nach einem Mörder befunden«, sagte ich leichthin.
»Und ich schätze, ich habe ihn gefunden. Das ist ein angenehmes Gefühl. Ich
habe nur so lange geschwiegen, weil ich dieses Gefühl genossen habe. Vielleicht
ist es dieselbe Art Gefühl, das Sie heute vormittag empfunden haben, unmittelbar nachdem Sie diesen Tiger in Grund und Boden
gepeitscht hatten .«
»Sie reden zwar«, brummte er,
»aber bis jetzt verstehe ich immer nur Bahnhof .«
»Okay«, sagte ich forsch. »Ich
war auf der Suche nach einem Mörder — einem Kerl mit einer ungeheuren Fähigkeit
zu hassen. Wäre er sonst das Risiko eingegangen, Bernices Leiche in das offene
Grab zu legen ? Einem Kerl mit einem ungeheurem übersteigerten Selbstgefühl — vielleicht sogar einem Paranoiker. Einem Kerl,
der keine Konkurrenz vertragen konnte und der seinerseits in jeglicher
Beziehung zu einem anderen Menschen — oder Tier — vollständige Unterwerfung
verlangt.«
»Sie reden, als ob Sie sich ein
bißchen zu lange in Gesellschaft des Gehirnschlossers aufgehalten hätten,
Lieber«, sagte Baker sanft. »Sie haben eine so weiche Birne wie er .«
»Ich war auf der Suche nach
einem Kerl mit einem Tatmotiv«, fuhr ich im Konversationston fort, »einem für
die Begehung eines Mordes ausreichenden Motiv. Und heute
vormittag hat Corben mir eines geliefert —
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