Die Tigerin
sehr wahrscheinlich, daß ich ebenfalls
hier auf Ihrer Couch ende. Halten Sie es für möglich, daß Sie bei mir einen
schönen, saftigen Komplex isolieren können? Etwas Handliches, Hübsches, das,
auf einen Sockel aufmontiert, sich auf dem Schreibtisch des Sheriffs gut
ausnehmen würde?«
ZEHNTES KAPITEL
D ie Spätnachmittagssonne
sickerte durch die hohen Fenster mit dem bunten Glas und überzog den
Empfangsraum der »Ewigen Ruhe« mit einem mattgoldenen Schimmer. Die lastende
Stille schien sich gleichsam in den Ecken anzusammeln und hinter den verschlossenen
Türen zu flüstern — . Eine Viertelstunde hier allein
gelassen, und ich würde ebenfalls anfangen, mich zu kratzen, überlegte ich.
Vor mir krümmte sich
verzweifelt Mr. Williams, dessen Finger bemüht waren, unter seinem Hemdkragen
an eine besonders unzugängliche juckende Stelle am Rücken zu gelangen.
»Armer Mr. Jordan«, sagte er
trübselig, und seine Stimme war von professionellem Bedauern erfüllt.
Ich wartete ein paar Sekunden,
um zu sehen, ob die Worte in memoriam vielleicht plötzlich wie eine Neonreklame
auf seiner Stirn auf leuchten würden, aber das geschah nicht.
»Ich hätte vorher darauf zu
sprechen kommen sollen«, gab ich zu, »aber es sind so viele Dinge auf einmal
passiert .«
»Ich verstehe völlig,
Lieutenant«, sagte Williams großmütig. »Wußten Sie, daß wir ihn im Rasen in der
Abteilung »Ewig Währende Liebe« zur Ruhe gelegt haben? Auf unsere eigenen
Kosten natürlich. Ich glaube, Mr. Jordan hätte sich darüber gefreut. Die
Direktoren hatten das Gefühl, daß dies das wenigste war, was sie für ihn tun konnten,
nachdem er so lange hier gearbeitet hatte .«
»Ich bin überzeugt, daß er
entzückt ist«, sagte ich nervös. »Im Augenblick hoffe ich, daß Sie mir helfen
können, den Mörder zu finden .«
Er blickte mich zweifelnd an,
während der Absatz seines linken Schuhs den Rist seines rechten Fußes rieb.
»Natürlich bin ich nur zu gern bereit, behilflich zu sein, — so gut ich kann«,
sagte er. »Aber wie?«
»Es war Jordan, der Miss Kains ’ Leiche in dem für Mrs. Thorro offenen, für ihre Beerdigung an diesem Morgen
vorbereiteten Grab fand«, erinnerte ich ihn. »Der einzige logische Grund, den
jemand haben konnte, ihn umzubringen, mußte der sein, daß er entweder den
Mörder oder etwas, das auf die Person des Mörders hinweisen konnte, gesehen
hatte und zum Schweigen gebracht werden mußte, bevor er Gelegenheit hatte, zu
reden.«
»Jaja!« Williams nickte eifrig. »Ich folge Ihrer Beweisführung, Lieutenant — weiter !«
»Genau da bin ich bereits am
Ende«, sagte ich düster. »Von diesem Punkt an bin ich auf Sie angewiesen. Hat
Jordan etwas darüber zu Ihnen gesagt? Irgend etwas ,
das einen Hinweis darstellen könnte?«
Williams kratzte sich mit einem langen Zeigefinger am Kopf, als ob er nach Öl bohrte. »Soweit
ich mich erinnere, nicht — .« Er runzelte beängstigend
die Stirn. »Lassen Sie mir ein paar Sekunden Zeit, zu überlegen, Lieutenant .«
»Bitte«, sagte ich.
Ungefähr fünf Sekunden später
kratzte er sich heftig die Nasenspitze und schüttelte dann den Kopf. »Nein, es
tut mir leid, aber ich kann mich nicht auf das geringste besinnen, was einen
Hinweis bieten könnte .«
Ȇberlegen Sie nochmals, Mr.
Williams«, bat ich. »Sie müssen sich doch über die Tatsache, daß Miss Kains in diesem Grab gefunden wurde, mit ihm unterhalten
haben. Hat er nichts erwähnt, was ihm ungewöhnlich vorkam? Vielleicht ist es Ihnen
zu diesem Zeitpunkt nicht weiter aufgefallen .«
Er kratzte sich noch etwas,
überlegte noch etwas und rückte dann mit demselben negativen Ergebnis heraus.
»Es tut mir sehr leid,
Lieutenant«, entschuldigte er sich. »Aber ich halte es für äußerst unwahrscheinlich,
daß Jordan irgend etwas von Bedeutung gesehen hat. Er
war ein sehr alter Mann, wissen Sie, und halb blind .«
»Halb blind ?« krächzte ich.
»Seine Sinnesorgane ließen
rapide nach — der arme alte Mann .« Williams’ Hände
flatterten teilnahmsvoll in der Luft herum. »Alles, was sich mehr als wenige
Meter vor ihm abspielte, verschwamm völlig vor seinen Augen — und man mußte
schon sehr laut reden, bevor er einen hören konnte .«
»Warum zum Teufel hatte dann
jemand Grund, ihn umzubringen ?« knurrte ich finster.
»Vielleicht wußte der
Betreffende nichts von seinen Gebrechen ?« sagte
Williams scharfsinnig. »Ich bin davon überzeugt, daß Jordan, wenn er gedacht
hätte, er könnte
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