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Die Time Catcher

Die Time Catcher

Titel: Die Time Catcher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ungar
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nur so, als würde sie ihn mögen. Ich fühle mich sogleich besser. Vielleicht ist sie wirklich auf meiner Seite.
    Aber damit sind meine Probleme noch lange nicht gelöst. Ich habe mich mit Mario auf ein gefährliches Spiel eingelassen. Wenn ich zu einem früheren Zeitpunkt nach China reise als er, um ihn auszutricksen, dann kann er meinen Angriff abwehren, indem er noch früher dran ist als ich.
    Doch falls ich nichts unternehme, lade ich ihn förmlich dazu ein, auch meine nächsten Missionen zu torpedieren, und das darf ich nicht zulassen. Diesmal werde ich ihn nicht gewinnen lassen.

23. April 1423, 9:09 Uhr
    Hügel in der Nähe von Jĭngdézhèn, China
    I ch rolle einen Abhang hinunter.
    Dagegen lässt sich nichts tun, solange die Zeitstarre anhält, also rolle ich weiter. In den nächsten drei Sekunden beschwört mein Gehirn eine Reihe möglicher Hindernisse herauf – scharfkantige Felsbrocken oder massive Baumstämme –, mit denen ich jederzeit kollidieren könnte.
    Glücklicherweise findet der Abhang ein Ende, als auch die Zeitstarre nachlässt. Was wirklich ein Glück ist, weil es nur wenige Meter weiter steil bergab geht.
    Als ich aufstehe und mir den Dreck von den Kleidern bürste, nehme ich mir vor, nie wieder Ort und Zeit meiner Landung zu programmieren, wenn ich noch unter dem Einfluss des Zeitnebels stehe. Gott sei Dank war die Abweichung nicht besonders groß. Ich wollte nämlich auf dem Hügel landen, aber natürlich auf dem höchsten Punkt, nicht auf seiner Flanke.
    Doch obwohl ich jetzt nicht auf dem Gipfel stehe, habe ich eine großartige Aussicht. Einige Hundert Meter unter mir liegt das Dorf, teils in Nebel gehüllt. Ich sehe ungefähr dreißig strohgedeckte Hütten, doch vermutlich verbergen sich weitere unter dem Nebel. Bei dem Dorf muss es sich um Jĭngdézhèn handeln.
    Was meine Aufmerksamkeit jedoch noch mehr fesselt, sind die etwa ein Dutzend eiförmigen Gebilde, die sich auf den umliegenden Hängen verteilen. Aus manchen quillt dunkler Rauch hervor, doch alle sind von einer Traube kleiner, rechteckiger Hütten umgeben.
    Ungefähr fünfzehn Meter von mir entfernt wird der Hang von einem schmalen Pfad durchschnitten. Durch Gestrüpp hindurch und über Felsbrocken hinweg bahne ich mir meinen Weg zu ihm. Immer wieder muss ich brennenden Nesseln ausweichen.
    Als ich den Pfad erreiche, ist mein Hemd völlig durchgeschwitzt. Ein kleiner Junge taucht vor mir auf. Er ist barfuß und trägt nichts als ein zerschlissenes Hemd, das ihm bis zu den Knien reicht.
    »H allo!«, rufe ich und winke ihm freundlich zu.
    Der Junge starrt mich schweigend an.
    Ich hoffe trotzdem, dass er irgendwas zu mir sagt, das mein Übersetzungssystem mir verständlich macht.
    Er starrt mich weiterhin an, was mir langsam auf die Nerven geht. Obwohl es kindisch von mir ist, starre ich jetzt zurück und hoffe, dass er als Erster anfängt zu zwinkern und den Kopf abwendet.
    Aber diesen Gefallen tut er mir nicht. Stattdessen gesellen sich weitere Kinder zu ihm, allesamt barfuß und spärlich bekleidet, die sich am stummen Glotzwettbewerb beteiligen.
    Ich starte einen weiteren Versuch, diesmal bei dem ältesten Jungen. »H allo!«
    Keine Reaktion.
    Irgendwie muss sich mein Erscheinen bereits herumgesprochen haben, weil immer mehr Leute auftauchen. Schon bald bin ich von ungefähr zwanzig Kindern und Erwachsenen umgeben.
    Für meinen nächsten Kommunikationsversuch wähle ich einen Erwachsenen aus. »E ntschuldigen Sie, aber ich bin von weither gekommen, um dem Künstler Wu Yingxing einen Besuch abzustatten. Könnten Sie mich bitte zu seinem Atelier führen?«
    Obwohl mir niemand antwortet, ist ein gewisser Fortschritt zu erkennen. Einige Erwachsene haben ihre Blicke von mir abgewandt und begonnen, miteinander zu reden.
    Schließlich tritt ein alter Mann vor. Sein braunes Gesicht ist faltig und wettergegerbt.
    Ehe ich etwas sagen kann, streckt er einen knotigen Finger aus, berührt mein Gesicht und streicht mir über die Wange. Dann dreht er sich zu den anderen um und sagt: »S o weiß. Und das Weiße ist weich.«
    Das Gute ist, dass meine automatische Übersetzung wieder funktioniert. Schlecht ist jedoch, dass er mich gerade mit einem Kissen verglichen hat und plötzlich alle mein Gesicht anfassen wollen.
    Dann dämmert mir etwas. Ich hätte mir vor dem Zeitsprung mehr Gedanken machen sollen. Hätte mir klarmachen müssen, dass ich vermutlich der erste hellhäutige Mensch bin, den die Leute hier zu Gesicht bekommen. Ich hätte

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