Die Titanic und Herr Berg
steht auf meinen Leitungen. Ich kann eine Stunde am Türrahmen lehnen und ich kann eine Stunde auf der Truhe sitzen, Peter.
Mit dem vollen Rucksack kehre ich zurück nach Hause. Ich war beim Asiaten. Ich habe Sojamilch mit Cappuccinogeschmack, eine Kokosnuss, Zuckererbsen im Teigmantel und Tütensuppen. Der Verkäufer bekommt nichts mit. Gott sei Dank, denn ich mag diesen Laden und möchte weiterhin dort einkaufen. Ich bezahle eine Limonade mit Litschigeschmack in der Dose, passend. Der Verkäufer braucht Kleingeld und ist zufrieden, schön. Danach gehe ich zu Humana, weil alles billig wie geschenkt ist und was nicht billig wie geschenkt ist, schenke ich mir einfach. Bei Humana gibt es fast nur Ramsch, und wenn ich Ramsch suche, erleichtert das die Suche. Es ist egal, wie viel der Ramsch kostet, den ich klaue, egal. Es erleichtert nur die Suche, wenn ich dahin gehe, wo das liegt, was kaum wer will. Ich will so was. Ich will Peter. Im Gewühl der Ärmsten, die mit den ganzen Armen in Kisten mit ausgekochter Unterwäsche stöbern, fällt es nicht auf, wenn ich etwas mitgehen lasse. Ich stopfe mir was unter die Jacke und laufe wie schwanger. Ich war immer gerne schwanger. Katrin war noch nie schwanger. Ich habe gegen sie gewonnen. Erste!
Glitzerwesten mit Rhomben und alten Taschentüchern in der Innentasche. Braun-gelb gestreifte Westover mit Grätenstrick und drei Erdbeerknöpfen am Kragen. Riesengroße Anzughosen, von denen ich weiß, warum sie hier sind. Der ehemalige Besitzer ist an Fettleibigkeit gestorben. Herzstillstand beim Pornokucken. Und die Erben haben den Inhalt des Kleiderschrankes in die Altkleidertonne gestopft. Nicht mal die Zigeunerkinder, die in den Container krabbeln, wollten diese riesige Hose haben, zu groß. Ihr Vater passt nicht in diese Hose, zu groß. Ihr Vater ist sehnig, sehr arm und ohne Zähne, aber er kann mit Limetten jonglieren.
Ich klaue eine braune Samthose, deren Reißverschluss aufsperrt und Strickjacken mit Ledertaschen. Dann stopfe ich noch eine grüne zerrupfte Federboa in die Seitentasche des Rucksacks und gehe wieder nach Hause. Ich gehe schwanger. Alle sehen mich neidisch an, die Frauen wollen auch schwanger sein, die Männer hätten mich gerne geschwängert.
Ich esse die Zuckererbsen, im Laufen, im Teigmantel. Mir kommt ein Mann mit einem sehr bunten Schal entgegen und einer anders bunten Hose. Er trägt in der Herzgegend einen Che-Guevara-Sticker. Als er mich sieht, fängt er an zu lachen. Ich weiß nicht, was es für ihn zu lachen gibt, und lache zurück. Da hört er auf zu lachen. Dann komme ich an einem Kinderspielplatz vorbei, auf dem die Kinder nicht frieren, aber die Eltern auf der Bank. In dem Moment fliegt ein Hubschrauber über die Gegend, und die Kinder schreien, als wäre Krieg. Mir ist kalt. Ich bin immer noch nicht ganz gesund, nicht wirklich, aber ich will nicht zurück in Franks Pflege, gar nicht. Vorne in meiner Straße ist ein Kopierladen Pleite gegangen. Ist nicht schlimm, egal. Die Scheiben sind von innen mit braunem Packpapier beklebt. Ich war vor einem Jahr einmal in dem Laden, als ich Suchzettel kopiert habe. Auf dem Foto hatte ich einen Bikini an. Ich habe mich gesucht. Es hat sich keiner gemeldet. Katrin würde also Pech haben, wenn sie mich auf diesem Wege einfangen wollte. Am Kopierladen steht außen mit weißer Farbe: «Wir wünschen uns einen Bäcker. Die Anwohner.» Ich schreibe doch auch nicht an die Hauswand: «Ich wünsche mir einen Peter. Eine Anwohnerin.» Die ganze Stadt wäre voller Wünsche an Häusern. Das geht nicht, nein, obwohl bald Weihnachten ist, trotzdem.
Zu Hause mache ich mich gleich an die Arbeit. Ich mache mir auf dem Boden Platz und das Radio an. Die Nähmaschine richte ich zur Musik. Ich frage mich nie, warum ich dieses oder jenes mache, nie, weil ich es immer weiß, immer, aber Gesine ruft an und fragt, was ich mache und warum. Sie findet, ich könnte auch ein andermal nähen, nicht wenn Mark Geburtstag hat. Dann ist Gesine genervt, weil ich mich nicht überreden lasse, zu Mark mitzukommen. Mark will was von mir, und ich hab schon drei plus einen ganz Tollen, nein danke. Mark ist nicht interessant, er ist ein Fuchtler. Er weiß nicht, wo seine Arme aufhören, wie groß seine Hände sind, ob er durch die Tür passt und wann der Stuhl umfällt, wenn er kippelt. Das brauche ich nicht, nein danke. Wenn ich lachen will, denk ich mir was Lustiges aus. Gesine will Ina anrufen, und ich bin nicht eifersüchtig deshalb, nie.
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