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Die Titanic und Herr Berg

Die Titanic und Herr Berg

Titel: Die Titanic und Herr Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Fuchs
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so. Es ist ein Hund mit großen Ohren, und er sieht verloren aus, auf dem Arm von Herrn Kobow. Herr Kobow ist nicht niedlich. Kein Beagle, eher ein Schnauzer. Frau Kobow ist ein Pudel. Sie erzählt mir, dass man Beagles als Versuchstiere benutzt, weil sie so gutmütig sind. Sie beißen die Männer in den Kitteln nicht. Sie wackeln jeden Morgen zur Labortür und freuen sich, dass jemand vorbeikommt. Jeden Tag denken sie wieder, dass es nicht pieken wird, sondern dass sie einen bunten Ball zerkatschen dürfen. Herr Kobow arbeitet in so einem Labor. Muss ja. Geld verdienen, weiter, weiter, immer heiter, bis Wolken kommen. Muss ja. Mein Herz muss ja nicht froh sein. Erzählt mir doch alle das Allertraurigste, das euch einfällt. Wer ist an Hirnschwurbel gestorben? Kann ich die Fotos von der Beerdigung sehen? Aus welchem Kriegsgebiet seid ihr geflüchtet? Habt ihr Moos gefressen? Wer hat euch vergewaltigt, der Vater oder der Stiefvater? Hat er ein Kondom benutzt? Ich bin kein Beagle. Ich will das nicht wissen. Eines Tages beiße ich sicherlich. Warum sollte ich meine Kinder so erziehen, dass sie nicht hart werden? Werdet bloß hart, ihr Süßen. Christentum. Nächstenliebe. Beagle. Donnerstag. Morgen ist dann wohl Freitag. Auf dem Heimweg erzeugt meine Rindsledertasche Pupsgeräusche, wenn sie an meinen Oberschenkel schlägt. Der Schnee ist getaut und der Streukies bleibt im Profil meiner Schuhe klemmen. Mir ist egal, ob es weiße Weihnachten gibt. Weiße Weihnachten sind das Letzte, wovon ich träume. Ich träume von Beagles, die ihre Welpen zu zivilem Ungehorsam erziehen, von Frau Kobow, die mir im Flur am Arsch vorbeigeht und von Tanja, die irgendwas macht. Irgendwas mit nackt sein.

    Ich muss einkaufen gehen. Socken ohne Löcher. Brot ohne Schimmel. Eier ohne Geruch. Ich werfe sehr viele verdorbene Lebensmittel weg, einfach weg. Ich habe jetzt eine Weile schlecht gegessen, zu wenig. Ich war krank, erkältet. Frank hat mich gepflegt und mir Grießbrei gekocht, aber ich hatte keinen Appetit, nicht auf Grießbrei, nicht auf Frank. Ich wollte Erkältungstee, der nicht gut schmeckt. Frank hatte nur Eukalyptusbonbons, die hat er dann in heißem Wasser aufgelöst. Das schmeckte wie ich es wollte, nicht gut. Frank hat sich Mühe gegeben, immer gefragt, was ich brauche und will, möchte, benötige, verlange. Nur Peter, und darum habe ich Frank in meine Wohnung geschickt, damit er die Anrufe von Peter auf dem AB abhört und die Post von Peter mitbringt und darum endlich über Peter Bescheid weiß. Aber Peter hatte sich keine Sorgen gemacht, weil ich letzten Samstag nicht da war, weil er bestimmt weiß, dass mir nichts Schlimmes passieren kann. Auch nicht, wenn meine Schwester anruft, hat sie aber nicht. Ich weiß, was Katrin will, und dass ich das nicht will, weiß ich auch und sie auch, aber sie kann sein wie ich, hartnäckig. Frank weiß gar nichts und will mich, möchte, benötigt, verlangt. Damit lasse ich ihn sitzen, mach mal, will mich.
    Jetzt werfe ich den Joghurt weg und das harte Brot. Ich denke dabei nicht an hungernde schwarze Kinder, sondern an Peter. Er braucht Zeit, habe ich. Wenn der Film ein schönes Ende hat, bezahle ich gerne für die Überlänge. Der Film kann ruhig länger dauern, bis Peter endlich vor mir kniet und ich dann nein sage, weil das nicht nötig ist, dass wir heiraten, aber schön, dass du gefragt hast. Ich habe nichts gegen Überlängen. Ich bezahle immer wenig für Kinobesuche. Ich bezahle einmal und warte auf dem Klo, bis zur nächsten Vorstellung. Ich mache dann Kinotag. Ich kucke dreimal «Herr der Ringe, Teil zwei». Der Herr hat uns lieb, aber ruft nicht an. Der Herr will mein Schatz sein. Mein Schaaatz!
    Aber heute muss ich einen Einkauf machen. Ich mache das so: Ich werfe alles, was ich brauche, in den schwarzen Rucksack und renne raus. Ich brauche nie lange für meine Einkäufe, weil ich renne. Kein Anstehen an der Kasse und keine Ausgaben, nur weil ich kein Stück Land besitze, auf dem ich alles selber anbauen kann, was ich benötige, um mich zu ernähren. Roggen, Mais, einen Apfelbaum. Jetzt im Winter könnte ich auch sowieso nichts anbauen. Außerdem bin ich verliebt, außerdem immer noch ein bisschen erkältet und außerdem brauche ich mein Geld für andere Sachen. Weihnachtsgeschenke. Dieses Jahr ist mir noch nichts eingefallen, für niemanden. Ich kriege nichts auf die Reihe. Eine Reihe von Gedanken steht Schlange und klopft an meinen Kopf. Ich kann sie nicht einlassen, denn Peter

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