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Die Titanic und Herr Berg

Die Titanic und Herr Berg

Titel: Die Titanic und Herr Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Fuchs
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alles keine Worte im Sinne der Anklage. Das ist eher Comicsprache. Gibt es Pornocomics? Und wie ist das Geräusch für das Abspritzen? Schmegg, schmegg, schmegg, Pfitsch, Spratz.
    Tanja schreit wieder wie eine Sirene. Ihr Mund ist ein kleines o, ein großes O, ein kleines o, ein großes O. Wenn ich ihr den Mund zuhalte und die Hand flattern lasse wie beim Indianergeheul, klingt es richtig echt. Wiowiowiowio, Schotten schließen, Schutzwesten anlegen, Frauen und Kinder zuerst. Tanja ist beides. Frau und Kind und wird gerettet. Ich ertrinke, na klar. Ach nein, ich bin ja der Eisberg. Ich schmelze. Nur weil irgendwo ein Depp eine mit FCKW betriebene Herdplatte angeschmissen hat und nicht weiß, dass es das nicht gibt. Wiowiowio. Tanja soll ruhig sein. Ihre Nachbarn haben ein Recht darauf, nichts über sie zu wissen, so wie jeder andere auf dieser Welt.
    Ich sage zu Tanja, so irre ich kann: «Isch mach disch Eisberg, passoffdu!»
    Sie lacht. Wie kann man so viel Scheiße reden? Normalerweise denke ich diese Scheiße nur. Das ist meine innere Scheiße und jetzt ist Tanja mein Klo. Das ist das Schönste, was ich je über sie gedacht habe. Mein Klo.
    Sie heult immer noch.
    «Hör auf! Die Nachbarn rufen die Bullen, weil hier ein Schiff sinkt.»
    Sie hört auf und strahlt wie ein Glückskeks mit Hasch und LSD und Streuseln und da fällt es mir auf. Ratazong und Padautz. Wir sind uns begegnet und sie wird sinken. Ich bin kalt und sie geht unter. Prima Klima, scheißkalt. Kaum hat sie meinen Schwanz nicht im Mund, sagt sie so was. Ich will aufstehen und gehen.

    In seinem Körper verknotet sich eine Verspannung, ganz schnell. Er liegt nicht mehr biegsam. Ihm scheint etwas eingefallen zu sein, womit er sich unwohl fühlt, schon wieder. Er dürfe das nicht, nur weil ich immer da bin, zu einfach. Ich will, er will, so einfach.
    «Was ist denn jetzt?», frage ich ihn, hüpfe mit den Fingern über seine Oberarme.
    «Ich glaube, ich muss jetzt gehen.»
    «Ich glaube, du willst gehen.»
    «Oder so!», sagt er, bewegt sich aber kein Stück von mir weg. Ich atme ihn ein und kann ihn behalten, meiner. Er weiß das nicht, fühlt sich nur leerer, wenn er geht. Peter, du bist bei mir, bei mir, egal wo du bist. Wir liegen hier, alles ist schön und ruhig, außer ich bin eine Sirene. Klar, du musst gehen, und klar, kommst du wieder. Bald, ja bald musst du mein Herz brechen, in eine dunkle Gasse, weit weg vom Laternenlicht. Brich mein Herz irgendwohin, ich bin aus Titan. Er weiß nicht, wie ich kämpfen kann. Er wird verlieren, aber gewinnen.
    «Tanja, pass auf!»
    «Ja, ich passe auf!»
    «Tanja, es geht so nicht.»
    Klar geht es, schon seit zwei Monaten geht es. Da wächst er rein, wenn es ihm noch zu groß ist. Da gibt es nichts zu reden. Ich heule wieder wie eine Sirene, sonst gibt es nichts zu heulen, keine Tränen.
    «Siehst du!», sagt er, «du heulst!»
    «Weil ich die Titanic bin.»
    Er findet, ich solle nicht immer so tun, als ob. Als ob was, sagt er nicht. Als ob ich das erraten muss. Ich tue gar nichts. Ich mache nur.
    «Lass das!», sagt er, als ich seinen Schwanz in den Mund nehme, den schlaffen, schönen Schlauch.
    «Also, wenn du schon mit diesem Titanicbild angefangen hast …» Er zieht die Zudecke über sein Gehänge, sein Gestehe. «Du weißt, dass die Titanic gesunken ist?»
    Natürlich weiß ich das. Die ganzen letzten zwei Stunden des Films ist die Titanic gesunken. Davon handelt der Film und von einer Liebesgeschichte, von zwei alten Menschen, die sich entschließen, nicht zu versuchen aus dem sinkenden Schiffsleib zu entkommen. Sie legen sich in ein Bett zusammen und das Wasser schießt durch die Tür, in Zeitlupe. Er liegt hinter ihr, und das ist eine große Liebesgeschichte, schön. Und dann sind da noch die junge Frau und der junge Mann.
    Ich versuche, ihn wieder weich zu kneten, wenn ich seinen Schwanz schon nicht hart kneten darf, gerade im Moment nicht, sonst immer.
    «Ich habe die ganze Zeit gesagt, dass das Bild schief ist, und du hast versucht, es gerade zu biegen. Jetzt lass ich mich auf das Bild ein, und auf einmal ist es nur Ulk, oder was? Saukomisch irgendwie und irgendwie auch nicht.»
    Er hält meine Hand fest, während ich mich frage, was er für ein Bild meint. Was denn für ein Bild? Und dann frage ich mich, warum er meine Hand festhält. Um meine Hand zu halten, kurz bevor das Wasser durch die Tür schießt und wir uns nochmal küssen? Wir bleiben hier liegen. Wir werden hier alt und bleiben liegen.

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