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Die Titanic und Herr Berg

Die Titanic und Herr Berg

Titel: Die Titanic und Herr Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Fuchs
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stelle die Schuhe wieder ins Regal und alles sieht aus wie vorher, aber es ist sauber. Sehr viel würde sich gar nicht ändern, Mario, nur sauber wäre es. Wir haben mal versucht, uns durch den Briefschlitz an meiner Tür zu küssen, beide auf den Knien und die Köpfe schief. Wir konnten uns nur mit den Zungen berühren und haben gelacht. Jetzt ist der Kokosläufer voller Sand. Ich schüttel ihn aus. Du ahnst nicht, Mario, wie es da drunter aussieht. Ich sauge alles auf. Die kleinen Steinchen rasen klackernd durch das Staubsaugerrohr. Das fühlt sich gut an. Es ist doch schon ewig aus und nichts ist wahr. Die Scheuerleisten sind voller Katzenhaare. Ich habe noch keine Katze hier gesehen, aber sie scheint grau getigert zu sein, ja.
    Weil ich mit dem Flur fertig bin, gehe ich in die Küche. Holger, meine süße Küche, du kannst kochen, mit allen Gewürzen und Dekorationen, mein Lieber. Wenn ich Geld hätte, ich würde dich bezahlen. Ich kann mich immer auf dich verlassen. Ich kippe das dreckige, inzwischen kalte Aufwischwasser weg und lasse neues warmes Wasser in den kleinen Eimer. Ich mache das Radio an, natürlich ist Jazzradio eingestellt, natürlich, weil die Küche danach aussieht. Keine Einbauschränke, sondern abgeschliffene Bauernschränke, ohne scharfe Kanten, rund gegriffen. Die Holzwurmgänge liegen frei geschliffen wie Irrfahrten im Nadelgehölz. Emaillekellen, abgeplatzt, Schaumkellen, gepunktet. Aber ein ganz moderner Herd. Den hätte Holle gerne. Wie glücklich er aussieht, wenn er vom Kochen redet. Holger, was soll das mit dir? Du machst alles und ich mache nichts. Die ganzen Briefmarken, die Gespräche darüber, wie wir uns warum lieben, dolle, weil ich dich brauche, dolle. Aber jetzt ist da wer, der braucht mich, da ist wer, der ist wer, der ist es, der soll es sein. Ich wische die Steinfliesen, ich wische mich auf den Knien aus dem Raum und muss dann draußen stehen, bis alles trocken ist. Holger, die Tränen trocknen, und ich werde auch noch die Gewürzgläser abwischen. Das muss doch mal gemacht werden. Das siehst du ein, Holle, das ist doch nicht schlimm, wenn ich auch den Kühlschrank von außen wische. Um den Griff herum sieht es schlimm aus. Im Kühlschrank sieht es gut aus. Holger, du bist gut für mich, aber jetzt ist da einer. Sei nicht traurig, sei froh. Kuck, wie die Küche glänzt, hör, wie lustig Jazz klingt, ganz durcheinander. Ich mache noch die Herdplatten mit einem Schwamm schön, da zischen Tränen, wenn sie drauf fallen.
    Hinten in der Küche ist eine Kammer, meine Schwester, Katrin, der letzte Rest Familie. Kann ich mit meiner Schwester Schluss machen? Es ist kein Licht in der Kammer. Wer weiß, was da noch in der Kammer ist? Papa? Patrick? Maria? Mama? Oder ist da nur Katrin, die über Papa, Patrick, Maria, Mama reden will, oder über mich? Die Kammer ist nicht ganz sauber. Ich mach das nicht. Die Tür führt nirgendwo hin, zu. Das kann keiner und Frau Giese nicht von mir verlangen, nie.
    Das Bad. Das wird nicht lange dauern. Für drei Stunden werde ich bezahlt, die sind gleich rum. Das Bad dauert nicht lange, Peter. Sehr viel ist da gar nicht zu tun. Sieht doch gut aus. Die Flaschen mit dem Duschgel sind oben verklebt, wird abgespült. Ich schrubbe die Badewanne und das Waschbecken, geht doch ganz leicht. Entspann dich Peter, das tut dir gut. Überall sind Katzenhaare. Das Katzenklo steht neben der Waschmaschine. Die Katze muss also oft hier sein, folglich, ja. Es dauert dann doch länger, als ich dachte, eine halbe Stunde, aber dann dauert es eben ein halbes Jahr, bis Peter weiß, dass es ihm bei mir gut geht und immer gut gehen könnte, wenn er immer bei mir ist, ganz einfach.
    Ich wische auch unter der Badewanne, da sitzt die Katze drunter, hinten in der Ecke. Sie ist dünn und klein, kann sein, sie ist jung. Ich sage nichts zu ihr, locke sie nicht, und sie rennt weg. Mit der Stirn schiebt sie die herangezogene Badtür auf und rennt weiß ich wohin, um neue Katzenhaare zu verteilen.
    Unter Badewannen gibt es oft was zu entdecken. Ich habe als Kind mal einen Versuch gemacht, um herauszufinden, wie viel ich in einer Woche puller. Ich habe in Tassen gepullert und die Tassen unter die Wanne geschoben. Am Sonntag wollte ich alles zusammenkippen und dann Bescheid wissen, ja. Am Mittwoch wurde der Versuch unterbrochen, weil meine Mutter sauber machte und meine Dienstagspuller umwarf. Sie hat nicht geschimpft. Wir haben gelacht, den ganzen Tag, immer wieder. Peter, das ist die

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