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Die Titanic und Herr Berg

Die Titanic und Herr Berg

Titel: Die Titanic und Herr Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Fuchs
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Adresse, den Tag, die Bezahlung und die Uhrzeit, hier, jetzt, gut, jetzt. Alles stimmt.
    Das Haus, das ich putzen soll, ist von außen groß und von innen nicht. Vor allem ist es nicht so schmutzig, dass es unbedingt sauber gemacht werden muss, aber Frau Giese sagt, dass sie sich fast schämt, wie es bei ihr aussieht, sie hätte fast geputzt, weil ich komme, aber dann hätte ich ja nicht kommen müssen. Sie lacht, sehr nett. Sie greift sich beim Reden viel ans Dekolleté, obwohl da kaum was ist. Ihre Brüste sind klein. Meine sind größer, aber sie ist reich. Sie zeigt mir das Haus, ich laufe hinter ihr her und stelle mich neben sie, wenn sie sagt: «Das ist die Küche, das Bad, die Stube.»
    Ich solle vor allem im unteren Stock sauber machen, alles, komplett. Dann gibt sie mir schon mal Geld, winkt und geht mit einem Mantel mit riesigen Schulterpolstern aus dem Haus. Ich bin allein, aber immer bei mir, hier, jetzt. Da ich das Geld schon habe, kann ich auch nach Hause fahren und dort sauber machen oder ich kann zu Peter fahren und dort sauber machen. Ich könnte überall sauber machen, dann ist es danach überall sauber. Ich bleibe hier.
    Ich fange mit der Stube an und langweile mich auf der Stelle, sofort. Ich spiele deshalb ein Spiel, damit sich Arbeit nicht wie Arbeit anfühlt. Ich stelle mir vor, dass die Stube Frank ist. Wir müssen aufräumen, jetzt, Frank, hier, Frank. Ich sauge zuerst den Teppich und sage: «Ich muss mit dir reden, Frank». Dann sauge ich gründlich die Ecken, arbeite mich vor, sage: «Nägel mit Köpfen, Frank.» Ich schiebe den Staubsauger in den Flur und hole warmes Wasser und wische den Parkettboden, da wo nicht der grüne Teppich liegt. Frank, du bist lieb und alles, süß und alles und wenn mir nichts mehr einfällt, komme ich zurück zu dir, aber erst mal melde dich nicht, nein. Ich mag den grünen Teppich nicht, Frank da kannst du nichts für, aber ich mag den grünen Teppich nicht. Fällt dir nicht auf, dass ich mich nie bei dir melde? Ich wische Staub auf den Bilderrahmen. Aus den Bildern lächeln mir fremde Gesichter entgegen. Es sind viele Schwarzweißfotos und einige Farbfotos, zum Beispiel eines, auf dem ein kleines Mädchen sehr rote Lippen hat. Auf einem anderen Bild erkenne ich Frau Giese, die jung in einem Garten steht und die Hand auf ihr Dekolleté legt. Ich wedel mit einem trockenen Lappen über die Glasscheiben. Frank, wir haben viele Erinnerungen, die schönen Erinnerungen daran, wie oft wir Schluss gemacht haben und du dann angerufen hast. Diesmal ist es anders, diesmal gründlich. Du sagst, ich solle nicht ständig in Tierschutzvereine eintreten, nur weil ich immer Mitleid habe. Kein Mitleid diesmal. Holger wird dir die Austrittserklärung schicken. Ich habe unterschrieben, also ist es aus, wenn ich nicht vergesse, es abzuschicken. Unseren Verein gibt es nicht mehr und die Stube ist sauber. Es ist keine schöne Stube, Frank, aber sie ist sauber, Frank.
    Jetzt Mario. Der Flur ist groß und breit und lang, und kurz vor der Stube geht eine Treppe nach oben. Ein beiger Läufer ist mit silbernen Stangen auf den Stufen befestigt. Das ist schick. Mario, du bist ein Schicker. Du hast Locken und braune Augen, weil ich immer dachte, dass mir das an einem Mann gefällt, aber du bist kein Mann. Wir sind seit Jahren zusammen. Ich weiß gar nicht, wie alt ich war. Ich weiß nie, wie alt ich bin, du bist für mich nie älter geworden. Ich sehe dich in dem gelben Überziehhemd Volleyball spielen. Du warst immer in der gelben Mannschaft und hast viel geschwitzt. Ich habe viel auf der Bank gesessen, weil ich viel krank war. Ich hatte eine Sportbefreiung. Und dann war ich weg, schwanger. Und dann war ich schwanger, weg. Es gibt viel zu putzen. Ein altes Regal, in dem viele Schuhe stehen, die muss ich alle rausnehmen und nachher wieder reinstellen. Das mache ich, aber es ist staubig. Am Anfang hast du im Winter an Fensterscheiben gehaucht und Herzen gemalt. Du hast die Hände aus den Handschuhen genommen und mit dem Zeigefinger diese Jungsherzen gemalt, ganz schlanke Herzen. Danach hast du deinen kalten Finger auf meine Nasenspitze gestupst. Der Sex war auch nicht schlecht, zu früh schon, aber nicht schlecht, aber jetzt nehme ich alle Schuhe aus dem Regal. Such dir ein Paar aus und geh, bitte. Geh doch zu Ina. Fang von vorne an. Ich war damals auch Jungfrau. Du bist toll als erster Freund. Ich wische die Regalböden nass und sie glänzen. Dann trocknen sie und sehen aus wie vorher. Ich

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