Die Tochter der Dirne
sind wir nicht besser als er.“
„Das ist mir egal. Wir hätten ihn schon vor Monaten in Ketten legen sollen.“
Gloucesters Geduld, die nie sehr lange währte, war jetzt am Ende. Wenn es Justin nicht gelang, das Gesetz so anzuwenden, wie es rechtmäßig war, würde Gloucester zur Gewalt greifen und alles, wofür er gekämpft hatte, wäre nichts mehr wert.
„Es gibt eine andere Möglichkeit. Nach dem, was ich inzwischen über ihn herausgefunden habe, glaube ich, wir könnten ihn seines Amtes entheben.“
Gloucesters Miene hellte sich auf. Statt ihn dazu zu zwingen, Fragen zu beantworten, könnte man ihn mit einem solchen Verfahren vom Hof verbannen oder sogar aus dem Land, und zwar für immer. „Seid Ihr sicher?“
„Was er macht, ist noch schlimmer als das, was de la Pole tat, als er die königlichen Finanzen mit seinen Geschäften in Bedrängnis brachte, und den hat das Unterhaus seines Amtes enthoben.“ Was nicht zuletzt an Justins sicherer gesetzlicher Beweiskette gelegen hatte, der der Sprecher hatte folgen können. „Er sammelt eine private Armee für den König.“
Gloucesters Zorn ließ nach, doch sein Gesicht war bleich und seine Lippen zusammengepresst. Der einzige Grund, warum der König kämpfende Truppen außer jenen seiner Barone brauchte, wäre, dass er sich gegen sie wenden wollte.
Er nickte. „Macht das.“
Justin wehrte sich gegen einen Anflug von Bedauern. Solay würde die Vorstellung hassen, jemandem das anzutun, was ihre Mutter durchleiden musste. Außerdem – würde sie es zu früh herausfinden, würde es auch der König erfahren.
Also durfte er es ihr nicht sagen.
Wann hatte er gelernt zu lügen? Hatte sie es ihn gelehrt?
Ein paar Tage später erhielt Solay eine Nachricht von zu Hause.
Sie lächelte, und beim Anblick von Janes sorgfältig geschriebenen Buchstaben empfand sie Heimweh. Gleich nach ihrer Rückkehr nach Windsor hatte Solay ihrer Familie geschrieben. Würden sie sich über ihre Heirat freuen?
Aber die Nachricht war kurz und schrecklich.
Westons Neffe verklagte sie, wollte ihnen das Letzte entreißen, was sie noch besaßen: das geliebte kleine Haus, in dem sie die letzten zehn Jahre verbracht hatten.
„Das Haus hat Westonnie gehört!“, rief sie in den leeren Raum hinein. „Er hat kein Recht dazu!“
Aber stets hatten die gefühllosen Richter darüber entschieden, was rechtens war, und ihrer Mutter nach und nach weggenommen, wofür sie bezahlt hatte, in nicht enden wollender Rache dafür, dass ein geliebter König alt geworden war.
Wenn das Gesetz doch nur wirklich so arbeitete, wie Justin es glaubte, dann könnte es ihnen tatsächlich helfen.
Würde Justin ihnen helfen und sie verteidigen?
Noch immer mied er ihr Bett, aber er konnte nicht seine anderen Pflichten als ihr Gemahl von sich weisen. Sie hatte ihn geheiratet, damit er ihre Familie beschützte. Jetzt würde sie herausfinden, ob ihr Opfer umsonst gewesen war.
Ohne zu klopfen, betrat sie sein Arbeitszimmer und begann gleich zu sprechen. „Ihr sagt, Ihr glaubt an die Gesetze.“
Er sah ihr in die Augen. „Das hört sich an, als glaubtet Ihr nicht, dass ich das tue.“
„Ich möchte keine sinnlosen philosophischen Betrachtungen austauschen. Ich möchte, dass Ihr mir eine klare Antwort gebt. Glaubt Ihr daran, dass jeder ein Recht auf faire Behandlung hat?“
„Natürlich.“
Sie holte tief Luft. „Ich kenne jemanden, dem das Letzte weggenommen werden soll, was er besitzt. Und der Mann, der das tut, hat kein Recht dazu! Kein Recht!“
Er hob die Brauen und lehnte sich zurück, während ihre leidenschaftlichen Worte von den Wänden widerhallten. „Das hat das Gericht zu entscheiden.“
Sie hustete und wünschte sich, einen besseren Anfang gefunden zu haben. Ungezügelte Gefühle leiteten ihre Zunge in die Irre. „Diese Person braucht Hilfe, um den Prozess zu führen.“
Er verschränkte die Arme. „Warum also erzählt Ihr mir von diesem Fall?“
„Sie braucht einen guten Anwalt, der sie vertritt. Würdet Ihr helfen?“
„Ihr habt mir noch nichts über den Fall erzählt. Um wen geht es?“
„Ich bin Eure Gemahlin, und ich bitte Euch, das für mich zu tun. Müsst Ihr wissen, um wen es sich handelt, ehe Ihr zustimmt?“
„Es ist eine einfache Frage. Wen soll ich vertreten?“
Würde ihre Antwort dem Gespräch ein Ende setzen? „Meine Mutter.“
Justin rührte sich nicht, so entsetzt, als hätte sie ihn geschlagen. „Wie könnt Ihr mich bitten, diese Frau zu
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