Die Tochter der Dirne
klaren Kopf …“, rief sie und zwang sich zu einem Lachen, „… wenn er seinen ehelichen Pflichten nachkommen will.“
Sie lachten mit ihr und kehrten in die Halle und zu ihren Getränken zurück. Solay schloss die Tür. Mit etwas Glück würden sie sich in den Schlaf trinken und nicht noch einmal die Treppe hinaufkommen.
Sie kroch allein ins Bett und bedauerte, nicht auf Agnes gehört und Vorkehrungen getroffen zu haben. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er sie zurückweisen würde, wenn sie erst einmal verheiratet waren. Wenn es auf dem Laken keinen Beweis gab, wäre es ihre Jungfräulichkeit, nicht seine Männlichkeit, die man infrage stellen würde.
Doch als sie eine Hand unter das Kissen schob, spürte sie etwas Feuchtes und zog es hervor.
Ein blutiges Tuch.
Sie lächelte über Agnes’ Umsicht.
Nachdem es im Schloss still geworden war, rieb sie mit dem Tuch über die Mitte des Lakens. Es hinterließ einen rötlichen Streifen. Das war nicht viel, aber es würde genügen.
Sie warf das Tuch ins Feuer und sah zu, wie es verbrannte. Dabei gab sie dem Qualm die Schuld an dem Brennen in ihren Augen.
Sie hatte bekommen, worum sie gebeten hatte, hatte ihre Wahl an diesen Mann verschleudert und musste nun mit den Sorgen leben. Liebe hatte sie in ihrer Ehe nie erwartet. Warum bedauerte sie jetzt, dass ihr Gemahl sie nicht liebte?
Für ihre Familie wäre gesorgt. Verglichen damit bedeutete ihr Glück gar nichts. So würde es besser sein. Besser, keine Hoffnung zu hegen. Besser, Abstand zu wahren.
Zumindest würde sie nach dem Aufwachen am Morgen nicht als Erstes den Hass in seinen Augen sehen.
20. KAPITEL
An Solays erstem Morgen als verheiratete Frau entfernte die Magd das blutige Laken mit einem Lächeln. Später am Morgen, als Agnes an die Tür klopfte, lächelte Solay errötend und erfand eine lange Liebesnacht für ihre verzauberte Zuhörerin.
„Also brauchtet Ihr mein kleines Geschenk nicht“, sagte Agnes.
Solay hüstelte. „Ich – äh – verbrannte es, damit niemand es entdecken konnte.“ Selbst die Wahrheit konnte eine Lüge sein.
Doch die Freundin bemerkte es nicht. „Er ist so ernst, er macht mir Angst. Aber es ist unübersehbar, dass er Euch begehrt. Das ist selbst dem König aufgefallen.“
Der König. Der Gedanke ließ sie erstarren.
„Agnes“, begann sie und versuchte, verlegen zu wirken. „Wir haben nicht über seine Arbeit gesprochen. Falls der König fragt …“
Agnes tätschelte ihre Hand. „Keine Sorge. Bald wird die Macht des Rates gebrochen sein.“
Solay schüttelte den Kopf. „Bis November dauert es noch über ein halbes Jahr.“ Und sie hatte erfahren, dass das Parlament die Privilegien mühelos noch weiter verlängern konnte, wenn es wollte.
Agnes spitzte die Lippen. „Es wird nicht so lange dauern.“
Solay ergriff eine dunkle Vorahnung. „Was meint Ihr damit?“
„Ich habe schon zu viel gesagt.“
„Steht diese Ehe jetzt zwischen uns?“
Agnes lachte. „Niemals! Die Sterne haben uns ebenso gewiss zusammengeführt, wie sie mir meinen Duke gebracht haben. Ich verspreche, ich werde es Euch später sagen.“
Solay fühlte sich nicht getröstet, lachte aber mit ihr. Auch sie verheimlichte Agnes manches. Aber ob er nun bei ihr gelegen hatte oder nicht, manche Dinge verdiente eine Ehefrau zu wissen. Wie sollte sie Justin beschützen, wenn sie nicht die Wahrheit kannte?
Von überall her beobachtete man sie mit wissendem Lächeln, als sie durch die Gänge schritt, bis sie ihn an seinem Schreibtisch fand. Er sah aus, als hätte er nicht besser geschlafen als sie.
Als sie eintrat, runzelte er die Stirn. „Wir beginnen unsere Ehe also mit einer Lüge?“
Von welcher sprecht Ihr, hätte sie ihn beinahe gefragt. „Was meint Ihr damit?“
„Alle in Windsor lächeln vielsagend und gratulieren mir dazu, wie gut ich in der vergangenen Nacht meinen Pflichten nachgekommen bin.“
„Wäre die Wahrheit Euch lieber gewesen?“ Um sich zu fragen, ob sie die richtige Wahl getroffen hatte, war es zu spät. „Ich hätte auch verbreiten können, dass Ihr meine Berührung verabscheut.“
Ein Anflug von Bedauern erschien in seinem Blick, und er errötete. „Das habe ich nicht gesagt.“
Sie unterdrückte einen Hoffnungsschimmer. Sie würde nicht mehr betteln. Jetzt war sie an der Reihe, ihn auf seinen Platz zu verweisen. „Vielleicht hätte ich ihnen sagen sollen, Ihr wart zu betrunken, um nach Hause zu finden.“
Sein zorniger Blick befriedigte sie. „Das ist
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