Die Tochter Der Goldzeit
Bauch auf den Rücken drehte oder umgekehrt, oder wenn er sich hin und wieder aufsetzte, packte er seine Beine und warf sie übereinander und hin und her, als wären sie mit Spreu ausgestopfte Leinenschläuche; oder er entflocht sie, wie andere Zöpfe aus wildem Knoblauch zu entflechten pflegten.
Nachts stemmte er sich manchmal hoch und begann zu heulen wie ein kranker Canide, oder er knirschte so laut mit den Zähnen, dass Katanja erschrocken aus dem Schlaf hochfuhr. Einmal griff er im Halbschlaf nach Holzscheiten und schleuderte sie durchs Halbdunkle zur Tür; gerade so, als würde dort ein Feind stehen.
Der Affe erwies sich als erstaunlich kluge Kreatur. Nicht nur, dass er aus eigenem Antrieb Holz aus dem Vorratslager zur Feuerstelle schaffte, wenn es dort zur Neige ging - der Graupelz weckte auch Zorcan durch wildes Kreischen, wenn dieser neben der verlöschenden Glut einschlief; oder er warnte Katanja, indem er mit den Pfoten auf den Boden schlug, wenn in einem Topf der Kräutersud überzukochen drohte. Abends, wenn die Winterkälte unerträglich wurde, holte er dem Gelähmten Felldecken, damit er sich auf seinem Rollbrett zudecken konnte. Und wenn Zorcan die Ruine verlassen musste, um sich draußen im Schnee zu entleeren, schob das Tier ihn auf dem Rollbrett zur Tür hinaus und zog ihn danach wieder herein.
Katanja liebte den grauen Affen. Sie nannte ihn Polderau.
Durch ihre Medizin kamen die durch Lungenentzündung und Hautausschläge Geschwächten allmählich zu neuen Kräften. Auch brachen keine neuen Lungenentzündungen mehr aus. Die frisch hergestellte Wundauflage erwies sich als besonders wirksam: Viele seit langem eiternde Wunden heilten schneller, als Katanja zu hoffen gewagt hatte. Diese Tage verschafften ihr ein Glück, das sie lange nicht empfunden hatte; das Glück eines Menschen, der seine Gaben und Kräfte zu benutzen wagte und sie bestätigt fand.
Ihr Ansehen unter den Poruzzen wuchs. Die meisten der räuberischen Barbaren machten ihr Platz und verneigten sich vor ihr, wenn sie durchs Lager schritt oder eine Winterbehausung betrat. Viele winkten, wenn sie die Seherin von ferne sahen, sogar Geschenke machte man ihr. Nur der Wilde Moellen und einige seiner Kumpane bedachten sie noch mit feindseligen Blicken. Doch diese Männer gingen ihr meistens aus dem Weg.
Otman Rosch und Wenz begleiteten sie bei ihren Krankenbesuchen. Der Bruder des Capotans ließ sich jeden Handgriff erklären, den sie vornahm, und lernte sämtliche Rezepturen auswendig, mit denen sie die Kranken behandelte. Schreiben konnte er nicht, doch er zeichnete die verwendeten Heilpflanzen ab. Obwohl er zwanzig Winter mehr gesehen hatte als Katanja, war er nicht zu stolz, ihr gegenüber die Rolle eines Schülers einzunehmen.
Als das Flussufer zu vereisen begann und eine Schneedecke den Uferwald und die Ruinen in strahlendes Weiß hüllte, stand die Geliebte des Capotans wieder von ihrem Krankenlager auf. Zwei Winter lang hatte sie gelegen und zwischen Tod und Leben geschwebt; nun lief sie wieder aus eigener Kraft von ihrem Lager bis zur Tür. Cahn Rosch strahlte wie ein kleiner Junge.
Weil ihm am Tag zuvor zwei ausgehungerte Wildsäue in die Falle gegangen waren, rief er noch am selben Abend ein Gottesfest aus. Er schlachtete die Tiere und ließ viele Flaschen Gerstenwässerchen und ein großes Fass Bier von der Esvalya holen und ins Winterlager schaffen. Das sogenannte Gottesfest dauerte drei Tage lang und artete schnell zu einem großen Besäufnis aus. Gegen Mittag des dritten Tages waren die meisten Männer der Sippe dermaßen betrunken, dass sie weder tanzen noch lieben konnten, geschweige denn raufen. Sie grölten nur noch herum. Auch Polderau war berauscht und kreischte mit den grölenden Seeräubern. Wenz und der wahnsinnige Zorcan dagegen rührten weder Bier noch Gerstenwässerchen an. Und Waller Rosch trank nur einen einzigen Becher Bier, und das am Eingang vor Katanjas Klause.
»Warum feierst du nicht mit den anderen?«, fragte sie ihn.
»Wenn ich berauscht bin, kann ich nicht gut auf dich aufpassen.«
»Ist es denn noch nötig, auf mich aufzupassen?« Verwundert runzelte Katanja die Stirn.
»Du kennst die Poruzzen nicht«, sagte er knapp.
Fast die gesamte männliche Besatzung und die meisten Frauen der Esvalya litten noch Tage später unter Kopfschmerzen und Schwindel und suchten Hilfe bei Katanja. Sogar der Wilde Moellen ließ sich einen Heiltee von ihr brauen.
Man konnte zusehen, wie Cahns Geliebte aufblühte
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