Die Tochter Der Goldzeit
Tiefländer ein Kanu zu Wasser. Otman Rosch, sein Gehilfe und ein junger Kerl mit verfilztem schwarzem Langhaar und Ringen in Ohren und Lippen brachten Katanja ans Ostufer. Der junge Poruzze war ein Bruder Waller Roschs. Wenn er lächelte, erinnerte er sie an Friedjan, ihren eigenen Bruder. Als sie sich mit ihm unterhielt, bestätigte er ihre Vermutung, dass die junge Frau in Cahn Roschs Kajüte die Geliebte des Capotans war.
Bis zum Einbruch der Dämmerung sammelte Katanja im Flusswald Heilkräuter. Einen großen Leinensack voll brachte sie zurück an Bord. Dort bereitete sie die halbe Nacht lang Tees und Tinkturen zu und verabreichte sie gleich nach Sonnenaufgang Cahn Roschs Geliebter und den anderen Kranken. Danach ließ sie sich wieder ans Ufer rudern.
Drei Tage lang schlief sie kaum, arbeitete von Sonnenaufgang bis Mitternacht. Für die vielen Kranken reichten die Kräuter nicht, die sie fand; und was Cahns Geliebte am dringendsten brauchte, das wuchs nur spärlich oder gar nicht im Uferwald.
Als er sich vor seiner Kajüte sonnte, erklärte Katanja dem Capotan, was Bakterien waren, dass es sie an Bord gab, dass sie Lungenentzündung verursachten und dass seine Geliebte sich früher oder später mit ihnen anstecken und dann ganz gewiss sterben würde.
Auch Otman Rosch, sein Gehilfe und ein paar Krieger, die in der Nähe die Reling ausbesserten oder in der Takelage arbeiteten, hörten zu. Katanja aus Altbergen versuchte, den Seeräubern klarzumachen, dass die meisten Kranken an Bord nicht mehr genügend Abwehrkräfte besaßen, um sich gegen Krankheitserreger zu wehren. Sie erklärte, dass sie unbedingt Honig, Bienenharz und Tollkirschen brauchte, um daraus eine Salbe herzustellen, die gegen eiternde Wunden wirkte. Auch Zwiebeln zur Behandlung der Erkältungen und Lungenentzündungen standen auf ihrer Liste, außerdem Meerrettich, Kapuzinerkresse und neue Weißbaumrinde. »All das finde ich hier nicht im Uferwald«, schloss sie. »Ich muss mit einigen Männern ins Hinterland ziehen und in den Bergen nach den Pflanzen suchen.«
Der Capotan machte ein mürrisches Gesicht. Sein Bruder Otman jedoch war sofort überzeugt. »Ich tät ihr freie Hand geben, Cahn. Wenn sie das Zeug gefunden hat, probieren wir es aus. Was soll's?« Er zuckte mit den Schultern. »Danach wissen wir wenigstens, ob sie eine tüchtige Heilerin ist oder nur ein plapperndes Weib.«
»Beim Durst der Götter - erlaub das bloß nicht, Onkel!« Der Wilde Moellen mischte sich ein. »Wer weiß, wann sie zurückkommt?« Feindselig blickte er Katanja an. »Vergiss nicht: Vor Wintereinbruch müssen wir uns ein Dorf an der Nordsundküste greifen!«
»Halt's Maul!«, fuhr der Capotan ihn an. »Hab selber ein Hirn im Schädel!« Er versprach ihr, über das Ansinnen nachzudenken.
Katanja machte sich wenig Hoffnung; sicher würde Moellen seinen Einfluss geltend machen. Er war der wildeste und grausamste unter all den wilden und grausamen Kriegern auf der Esvalya, und er genoss hohes Ansehen bei den Poruzzen. Vielen galt er als zweiter Capotan und als Nachfolger von Cahn Rosch.
Zwei Tage später schlug die Witterung um. Es sah noch einmal nach warmen und freundlichen Tagen aus, und der Winter schien ferner denn je. Weil es seiner Geliebten und vielen Kranken an Bord nach Katanjas Behandlung besser ging, gestattete Cahn ihr die Wanderung in die Berge. Ein paar Poruzzen sollten sie begleiten, darunter sein Sohn Waller und sein Bruder Otman. Der Capotan verschob den Aufbruch nach Norden. Katanja war sehr zufrieden. Moellen Rosch dagegen wütete, konnte Cahn aber nicht mehr umstimmen.
Vier Wochen lang sollte die Reise dauern.
An einem sonnigen Morgen brachen sie auf. Der Blaue landete auf ihrer Schulter, als sie am Ufer aus dem Kanu stiegen. Niemand griff zu seinem Bogen. Seit die Poruzzen Vertrauen zu Katanja gefasst hatten, konnte sich auch der Kolk an Bord blicken lassen, ohne dass einer der wilden Kerle gleich auf ihn schießen wollte.
Drei Tage lang zogen sie durch die Uferwälder, bis sie das kleine Gebirge erreichten. So wie die Poruzzen an den Blauen, gewöhnte Katanja sich an die Meeresnomaden. Am absonderlichsten erschien ihr Wenz, der Gehilfe Otman Roschs. Sein langes Gesicht war von zahllosen Brandnarben und einer Hasenscharte entstellt. Sein Blick war fahrig, die Nase lief ununterbrochen, und ständig murmelte er vor sich hin; Gebete, wie Katanja bald herausfand. Aus irgendeinem Grund war Wenz der Einzige an Bord der Esvalya, der zum Gott
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