Die Tochter Der Goldzeit
Dashirin betete. Alle anderen glaubten an eine Horde raufender, saufender, sich begattender und dem Glücksspiel ergebener Götter.
Acht Poruzzen begleiteten Katanja, alle waren miteinander verwandt. Zwei Brüder Waller Roschs waren dabei - auch der, dessen Lächeln sie an Friedjan erinnerte - und ein Cousin, den Otman Rosch aufgezogen hatte, weil dessen Vater »während eines Beutezugs an die Ehrentafel der Götter gestolpert war« - so drückte Waller Rosch das aus. Wie die meisten Männer der Rosch-Sippe waren Katanjas Begleiter hochgewachsen und von breiter und kräftiger Statur. Einige trugen gelb-schwarze Glatzen, andere rot gefärbte Haarkämme, die sie mit Fischtalg gefettet und auf ihren Scheiteln aufgerichtet hatten.
Waller Rosch konnte wieder laufen, ohne zu hinken. Die Entzündung am Stumpf seines kleinen Fingers war abgeheilt. Nur selten wich er von Katanjas Seite. Er trug den Rucksack mit ihrem Werkzeug und ihr Deckenbündel, so oft sie es gestattete; nachts schlief er nicht weiter als drei Schritte entfernt von ihr. Auch unter freiem Himmel fühlte er sich für ihren persönlichen Schutz zuständig. Anfangs gab er sich wortkarg, fast ein wenig schüchtern, doch schon nach wenigen Tagen begann er von sich zu erzählen. Katanja merkte schnell, dass es mehr war als tiefe Dankbarkeit, die den jungen Burschen beflügelte; ohne Zweifel hatte er sich in sie verliebt. Manchmal, wenn sie seine zärtlichen Blicke bemerkte, dachte sie an Janner, und die Sehnsucht ließ ihr das Herz in der Brust schwellen.
Auf einer großen Waldlichtung, am Rande eines Steilhanges, entdeckten sie am Ende der ersten Woche drei Bienenvölker. Zwischen zwei Felsrücken in den dicht bewaldeten Gebirgshängen fanden sie Tollkirschen, und in der Umgebung eines Sees stießen sie in der dritten Woche auf Meerrettich.
Katanja und die Männer ernteten so viele Pflanzen und nahmen so viel Honig und Bienenharz mit, wie sie tragen konnten. Auf dem Rückweg landete der Blaue an einem flachen Sonnenhang voller welkem Gestrüpp. Unzählige wilde Zwiebeln wuchsen hier. Das Zwiebelrohr war längst vertrocknet, und ohne die Hilfe des Kolks hätten sie die Pflanzen niemals entdeckt. Sie gruben Hunderte von Zwiebeln aus. Wenz und Waller Rosch bauten eine Art Schleppe aus Geäst und geflochtenem Gras und banden sie sich um die Hüften. Auf diese Weise zogen sie die Zwiebeln hinter sich her.
Als sie nach einem Mond zur Esvalya zurückkehrten, fiel der erste Schnee.
Katanja überzeugte Otman Rosch davon, dass sie über längere Zeit ein großes Feuer unterhalten musste, um Pflanzensud aufzukochen. Sie brauche eine überdachte Feuerstelle an Land, behauptete sie. Tag für Tag hielt sie Ausschau nach Merkur; um jeden Preis wollte sie den Aufbruch hinauszögern, bis er zurückgekehrt war.
Otman Rosch glaubte der Seherin und überzeugte seinerseits seinen älteren Bruder, den Capotan. Weil der Winter sowieso schon hereingebrochen war, änderte Cahn Rosch seine Pläne: Er ließ sich von Katanja zur Mündung eines kleinen Flusses lotsen und zu einer verlassenen Ruinensiedlung führen, die dort nur wenige hundert Längen flussaufwärts lag. Hier hatte Katanja mit den Jägern des Hauptmanns schon Beeren und Pilze gesammelt. In den uralten Gemäuern schlugen die Poruzzen ihr Winterlager auf.
Katanja triumphierte. Mit Feuereifer machte sie sich an die Arbeit.
Im Keller eines alten Steinhauses richtete sie sich eine Kräuterküche ein. Sie schaffte Kochgeschirr, Tongefäße, Fässer jeder Größe und Lederschläuche in die Ruine. In einem kleinen Fass voller Gerstenwässerchen - so nannten die Poruzzen den Rauschtrank, den man in Altbergen als Alkohol bezeichnete und in der Heilkunde verwendete - setzte sie wilden Rhabarber, Wermut, Mistel, Brennnessel, Kampfer und wilden Fenchel an. Sie stellte Tinkturen aus Anis, Fichtennadelöl, Meerrettich und Zypressennadeln her. Sie machte Salben, trocknete Heilkräuter für Tees und braute Wundauflagen aus Tollkirschen, Honig, Zwiebeln, Bienenharz und verschiedenen Kleesorten.
Zwei der alten Frauen aus dem Laderaum halfen ihr bei der Arbeit; es waren die beiden, die als junge Mädchen von den Poruzzen geraubt worden waren. Vermutlich hielten sie Katanja für eine Leidensgenossin. Mit ihnen, dem Affen und dem wahnsinnigen Zorcan Rosch teilte Katanja sich die Ruine.
Zorcan lag die meiste Zeit auf seinem Rollbrett neben der Feuerstelle und sorgte dafür, dass die Glut unter den Töpfen nicht erlosch. Wenn er sich vom
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