Die Tochter Der Goldzeit
in den folgenden drei Monden. Bald schloss sich auch ihre letzte Wunde. Als der Winter sich neigte, war sie schwanger. Cahn Rosch aber behandelte die Seherin fortan wie eine Königin. Bis kurz vor seinem Tod zwanzig Monde später schlug er ihr keinen Wunsch mehr ab.
Katanja zweifelte nicht mehr daran, dass der »Geleitschutz« seiner »starken Kerle« sie mindestens bis nach Hagobaven bringen würde. Der nächste wichtige Schritt auf dem Weg zur Lichterburg war getan. Die Freude darüber beflügelte sie viele Tage lang.
Um diese Zeit erzählte ihr Waller Rosch zum ersten Mal vom Tod seiner Mutter. In der Tausendinselsee hatte die Esvalya mit zwei weiteren Poruzzen-Schiffen einen Viermaster mit schwarzen, rauchenden Rohren angegriffen. Capotane und Mannschaften waren betrunken, und Cahn wollte sich für eine Niederlage rächen, die lange zurücklag. Ein Vogelschwarm stieg von dem fremden Schiff auf und fiel über die Esvalya her. Waller Roschs Mutter starb an ihren schweren Verletzungen. Cahn steuerte die Esvalya in die Mündung des Großen Stroms hinein und floh stromaufwärts. Die anderen beiden Poruzzen-Schiffe versenkte der Viermaster.
Katanja erschrak. Ein Viermaster mit rauchenden Rohren? Das konnte nur ein Schiff des Eisernen gewesen sein! Spähte etwa seine Vorhut schon die Küsten des Nordmeeres aus?
Kapitel 6
Bis in den Winter des Jahres 489 hinein segelte die dalusianische Flotte an der Westküste entlang nach Norden, an ihrer Spitze Fürst Nadolpher auf seinem Flaggschiff Etlantyca. In jede Küstensiedlung schickte er eine Kriegsrotte und ließ nach den drei Flüchtlingen aus Tikanum suchen. Ein Rotmantel und der Flottenmeister Maragostes führten diese Rotten an, die keine Rücksicht auf Menschenleben nahmen; Bosco nahmen sie als Dolmetscher mit. Kaum konnte der Mann aus Tikanum die Grausamkeiten fassen, die er bei solchen Landgängen mit ansehen musste.
Zu Beginn der Schneeschmelze brachte ein Bote Nachricht vom Eisernen: Eingeborene einer kleinen Fischersiedlung, Anhänger Dashirins, hatten die Flüchtlinge gefangen. Das Städtchen an der Küste der Westwildwelt hieß Savasom. Nadolpher gab den Befehl, dorthin zu fahren.
Für Bosco begannen Tage der Angst. Er wusste ja, wie grausam sie sein konnten, die Wildsaujäger und die Jusarikaner. Was würden sie Tarsina antun, um den Weg nach Altbergen oder wenigstens den nach Hagobaven aus ihr herauszupressen? Albträume raubten ihm den Schlaf. Nach allen Beschreibungen der drei Flüchtlinge, die er gehört hatte, war Bosco inzwischen sicher, dass Tarsina unter ihnen war. Vermutlich hatten Gefangene aus Tikanum dem Eisernen unter der Folter verraten, dass sie die Meisterin der Sozietät war und den Weg nach Altbergen kannte. Eine andere Bewohnerin der eroberten Erdstadt hätte der schwarze Titan kaum mit solcher Unerbittlichkeit verfolgt.
An einem frühen Abend gegen Ende des dritten Mondes im Jahre 490 ging die Flotte in dem Flussdelta vor Anker, an dem Savasom lag. Vom Ankerplatz aus konnte Bosco die Mauer der kleinen Stadt oberhalb der Steilklippen erkennen. Sie erschien ihm wie eine steinerne Todesdrohung. Der Kriegsmeister Catavar stieg zu ihr hinauf, um die Gefangenen zu befragen. Sechs Krieger und Bosco begleiteten ihn. Als Gastgeschenk nahmen sie ein Fass Wein mit.
Kurz vor Einbruch der Dunkelheit öffnete man ihnen das Tor von Savasom. In den verschlammten Gassen stank es nach Schweinen. Der Ratsälteste begrüßte sie auf dem Dorfplatz vor dem Torbogen zum Hof seines Hauses. Seine Sippe besaß das größte Gebäude in Savasom; es grenzte an eine Koppel, in der sich Dutzende Schweine suhlten. Seine Söhne und Knechte umringten ihn.
Der Fürst Nadolpher habe sie geschickt, um ein Geschenk zu überbringen und die Gefangenen zu befragen, übersetzte Bosco die Worte des Kriegsmeisters. In dieser Gegend der Westküste sprachen die Leute einen Dialekt, den weder Jusarikaner noch Dalusianer verstanden.
Hocherfreut nahmen der Ratsälteste Shoshac und seine Leute das Weinfass entgegen.
Aus einer langen Holzbaracke auf der anderen Seite des Platzes hörte man zornige Männerstimmen und Geschnatter von Federvieh. Hinter den Fenstern schrie einer wie unter großen Schmerzen. Bosco hielt den Atem an, denn er ahnte, was dort geschah. Er lauschte und glaubte die Stimme eines jungen Waldläufers aus Tikanum zu erkennen.
Shoshacs ältester Sohn grinste und deutete zur Baracke hinüber. »Da drüben wird einer der drei seit gestern Abend vom Magier befragt.
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