Die Tochter Der Goldzeit
Kriegern zusammen und mache dich morgen früh mit einem unserer Viermaster und zwei Südlandseglern auf den Weg in den Süden.«
Die graue Eisengestalt Catavars straffte sich, das bläuliche Licht hinter seinen Sehschlitzen flammte zu einem violetten Brand auf.
Nadolphers große Augen hinter den dicken Augengläsern zuckten zwischen Maragostes, der Königin und ihrem Thronritter hin und her. »Zwei Schiffe mit je hundert Mann aus euren Reihen werden den Subkommander begleiten, eines aus Dalusia und das Schiff deines Ritters Walliser, Torya von Albridan.« Und dann wieder an den Kriegsmeister Catavar gewandt: »Höre deinen Auftrag, Subkommander: Zerstöre Altbergen und entreiße den Verächtern der Goldzeit dort das Geheimnis der Lichterburg.«
Kapitel 5
Zwei Hüter der Vorhalle führten den Mann mit der Narbe in die Wohnkuppel der Meisterin. Honnis von Tikanum sah lange nicht mehr so bleich und eingefallen aus wie noch im vergangenen Winter. Sein schmales Gesicht war stoppelbärtig, sein dunkles Langhaar pflegte er sich mit einem roten Tuch aus der Stirn zu binden. Er trug einen tiefschwarzen Kolk auf dem Unterarm. »Der ist zahm, ich habe ihn unten an der Flussmündung in einer Birke entdeckt.« Honnis streckte den Arm mit dem Vogel aus. »Er trägt eine Briefkapsel.«
»Danke.« Der Kolk kam Grittana bekannt vor. Sie löste die graue Briefkapsel von der Vogelklaue. Nicht viele benutzten Grau als persönliche Farbe. Um einen, der sie einst benutzte, hatten sie lange getrauert in Altbergen.
»Kümmert euch bitte um das Tier«, wandte sie sich an die beiden in braunes Leder gehüllten Hüter der Vorhalle. Die Männer verließen die Wohnkuppel. Grittana bot Honnis einen Platz und Wasser und Nüsse an. Mit der Briefkapsel zog sie sich in ihr Lesezimmer zurück. Dort öffnete sie die Hülle und entnahm ihr das dünne Briefpergament. Im Schein der Wandlampe über ihrem Stehpult versuchte sie, die schwer leserlichen und offenbar hastig hingeworfenen Zeilen zu entziffern.
»... Ich weiß nicht, wie viel Zeit uns noch bleibt, deswegen nur das Allernotwendigste: Die Truppen des Eisernen haben Hagobaven entdeckt. Die erste Rotte barbarischer Krieger steht bereits vor dem Tor. Mit einer Ramme versuchen sie es zu zerbrechen. Ihre dumpfen Stöße sind bis in die unterste Ebene zu hören. Wir müssen die Kernstadt aufgeben. Drei Frauen und zwei Torwächter, die in der Umgebung des Haupttores Kräuter sammelten, sind in Gefangenschaft geraten. Unter den Frauen ist Linderaus Tochter Jorinal. Ab jetzt ist Altbergen in größter Gefahr ...«
Grittana ließ den Brief sinken. Eisige Enge schnürte ihr die Brust zusammen. »Hagobaven ist gefallen«, sagte sie mit brüchiger Stimme, und als keine Antwort aus dem Vorraum kam: »Hast du gehört, was ich sage, Honnis?«
Mit dem Wasserbecher in der Hand stand der Mann aus Tikanum im Durchgang zum Leseraum. Seine Augen waren Schlitze. »Ist das wirklich wahr?«, flüsterte er.
»Geh und suche Tondobar und Linderau. Der Rat muss sich versammeln, gleich.«
Honnis eilte aus Grittanas Wohnhöhle. Die Meisterin senkte den Blick, las den Brief ein zweites und ein drittes Mal. Er war im Frühjahr geschrieben worden, vor fast zwei Monden. Sie versuchte den Namen unter dem Brief zu entziffern, und als es ihr gelang, seufzte sie tief und schüttelte ungläubig den Kopf. Ein paar Atemzüge lang schloss sie die Augen. Sie dachte an Helvis, die Botanikerin, und ein flüchtiges Lächeln glitt über ihr von tausend feinen Linien zerfurchtes Gesicht. Doch dann dachte sie an Linderau, und das Lächeln gefror.
Ihr erster Weg führte zur Wohnkuppel des Ratsältesten und seiner Gefährtin. Stumm gab sie ihnen den Brief zu lesen. Beide hielten einander schluchzend fest, als sie ihn gelesen hatten. Der Schmerz über das Schicksal ihrer Tochter überwältigte sie. Linderau bat Grittana, die Ratsversammlung zu leiten.
Später, im großen Versammlungssaal, reichte die Meisterin den Brief vor allen anderen an Helvis. Die entrollte das Pergament und erkannte die Handschrift sofort. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, während sie las. »Er lebt«, flüsterte sie wieder und wieder und schüttelte fassungslos den Kopf dabei. »Er lebt .«
Kapitel 6
Mit einem gusseisernen Kran ließen sie zuerst den schweren Rinkuda-Stier und danach die beiden Caniden-Mutanten vom verwüsteten Deck des Viermasters auf ein Floß hinab. Der schwarze Titan selbst und vier seiner muskelbepackten Wildsaujäger bedienten die
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