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Die Tochter Der Goldzeit

Die Tochter Der Goldzeit

Titel: Die Tochter Der Goldzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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hinüberrudern!«
    Mit zwei Rotmänteln kletterten sie hinunter in das große Ruderboot. Bosco setzte sich neben die Königin. Gleich in den ersten Tagen des Winterlagers hatte Nadolpher selbst ihn der Herrscherin von Albridan vorgestellt. Wie Luft hatte sie ihn behandelt. Jetzt hockte sie bleich und statuengleich neben ihm. Bosco richtete sein Inneres Augenohr auf sie. Wut, Schmerz und wilde Entschlossenheit fluteten ihm entgegen. Er zog seine geheimen Sinne sofort zurück.
    Ihr Ruderboot glitt an einem Viermaster aus Jusarika vorbei. Das Schiff fuhr langsam durch die Nacht. Aus seinem Rumpf hörte Bosco es stampfen und rauschen. Von der Reling aus richtete die Besatzung den Schein mächtiger Lampen auf die Wogen und suchte das Meer nach Überlebenden ab.
    »Ich möchte wissen, was für ein Öl sie benutzen, um derart helles Licht erzeugen zu können«, murmelte Torya.
    Bosco wusste, dass die Jusarikaner kein Öl benutzten, doch er schwieg. Vor ihnen wuchs die Bordwand der Etlantyca empor.
    Der Einäugige im Gefiedermantel erhob sich, griff als Erster nach der Strickleiter, die sie heruntergelassen hatten, und stieg hinauf. Oben angekommen, streckte er der Königin die Hand entgegen und half ihr an Bord. Während einer nach dem anderen aus dem Ruderboot hinaufkletterte, betrachtete Königin Torya das schwarze Metallrohr, das zwischen den beiden Mittelsegeln aufragte. Ehrfurcht und Neugier spiegelten sich in ihrer Miene. »Wozu mag dieser rauchende Turm gut sein?«, murmelte sie, an Walliser gewandt.
    »Sie benutzen einen neuartigen Antrieb«, erklärte Bosco, als der Thronritter nur mit den Schultern zuckte. »Das Rohr ist ein Teil davon, sie nennen es >Schloter<.« Die Bezeichnung hatte er von einem Rotmantel gehört. In den Büchern der Chronik von Tikanum hatten die Rohre »Schornsteine« geheißen. »Unter dem Schloter, auf dem Unterdeck, liegt eine Art Großofen. Wenn man es eilig hat, feuert man ihn an, bringt eine Menge Wasser zum Kochen und erzeugt Dampf. Der Druck des Dampfes treibt ein hölzernes Schaufelrad am Heck des Viermasters zu kräftigen Drehbewegungen an. Und schon bewegt sich der Kahn.«
    Torya und ihr Thronritter musterten ihn, Walliser verblüfft, die Königin aufmerksam. »Man erzählte mir, du würdest alle Sprachen zwischen der Ostwildwelt und den Westinseln verstehen«, sagte die Königin.
    »Viele. Ein guter Geist hat mich mit einer raschen Auffassungsgabe gesegnet.«
    »Offenbar nicht nur damit«, erwiderte Torya, drehte sich um und ging zu den Deckaufbauten am Heck.
    Bosco folgte ihr.
    Die Ratsversammlung fand in einem kleinen Saal auf dem mittleren Achterdeck der Etlantyca statt; die Jusarikaner nannten ihn »Messe«. Bosco war darauf vorbereitet, dass der schwarze Eisenriese daran teilnahm; als er ihn dann sah, richteten sich ihm dennoch die Nackenhaare auf. Die ganze Zeit über stand der Eiserne neben Catavar an der Wand hinter der Schmalseite der langen Tafel, an der alle anderen saßen: Nadolpher, der einhändige Maragostes, zwei Cabullos und ein Kapitän der Barbaren aus Apenya, der wilde Walliser, zwei Frauen und fünf Männer der Jusarikaner und die Königin. Neben ihr saß Bosco. Den Magier konnte er nirgends entdecken. War er tot? Der Gedanke gefiel ihm.
    Nadolpher eröffnete die Ratsversammlung. Wie ein Vorsitzender thronte der kleine Mann mit den dicken Augengläsern am Ende der Tafel. Und hinter seinem Rücken standen Betavar und Catavar, als wären sie für seinen persönlichen Schutz zuständig. Durch die Sehschlitze ihrer Visiere strahlte blau-violettes Licht.
    Die sieben Jusarikaner waren dürre, schweigsame Menschen. Ihre Kleidung hatte sich seit den Tagen von Chiklyo nicht verändert: schwarze, eng anliegende Ganzkörperanzüge, die am Kragen in Stirn und Wangen halb bedeckende Kappen gleicher Farbe übergingen. Darüber trugen sie weite Mäntel, alle rot. Vier hatten durchscheinende blassgelbe, drei dunkelbraune Haut. Sie ähnelten einander, und sie ähnelten Nadolpher. Die meisten waren klein - wenn auch nicht so klein wie er - und alle schienen ähnlich wenig Haare zu besitzen, sogar die Frauen.
    Einen erkannte Bosco wieder: den Rotmantel, der auf dem Dorfplatz von Chiklyo aus dem Spruch Dashirins an Alphatar vorgelesen hatte. Fünfzehn Sommer war das her. Sein Gesicht war gelb und hohlwangig geworden, und eine große Brandnarbe verunstaltete seinen Mund. Die Zeit war nicht spurlos an dem Mann vorübergegangen.
    An dir auch nicht, kleiner Ginolu, dachte Bosco und

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