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Die Tochter Der Goldzeit

Die Tochter Der Goldzeit

Titel: Die Tochter Der Goldzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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machte eine bettelnde Geste mit der Rechten. »Hunger, Yiou und Jacub ...«
    Roscar hatte schon elendere Gestalten vom Hof gejagt, doch er blickte dem Wilden einen Atemzug zu lange in die Augen, und etwas war in diesen blauen, fiebrigen Augen, das sein Herz anrührte. So nahm er den Jungen in seinem Haus auf.
    Seine Mägde badeten und bekleideten ihn, seine Knechte brachten ihm bei, Ziegen zu melken und zu schlachten, Schafe zu scheren und zu hüten, und er selbst lehrte Jacub, den Katzensohn, sprechen und lesen und schreiben und alles, was er seinen eigenen Sohn gelehrt hätte.

Kapitel 8
    Ein gewaltiger Donnerschlag hallte über Chiklyo. Bosco hörte das überirdische Krachen von der Kammer des Mädchens aus. Seit der Mittagszeit lag er bei ihr, denn sie weinte und fürchtete sich wegen der Fremden. Die ganze Zeit hielt er sie fest, erzählte ihr Geschichten, sang ihr Lieder vor, redete ihr gut zu. Jetzt sprang er auf, rannte aus der Hütte und kletterte die nächstbeste Stiege zum Wehrgang hinauf. Dort drängten sich Dutzende Jäger und Fischer um den Cabullo.
    Viel sah er nicht mehr, nur den himmelwärts gerichteten Bug eines brennenden Schiffes. Der Dreimaster der Poruzzen! Gut zwanzig Speerwürfe entfernt versank er im Meer. Schreie von Frauen und Kindern gellten durch die Dämmerung.
    Bosco setzte sein Doppelglas an die Augen. Dutzende Menschen entdeckte er im Wasser rund um das sinkende Schiff; die letzten sprangen eben von Bord. Drei Viermaster dampften durch den Hafen, an der Spitze der mit dem Namen Etlantyca, mitten durch die Menge der Schreienden und Ertrinkenden. Hinter der Balustrade vor dem Ruderhaus stand der Zwerg, Bosco erkannte ihn an den Augengläsern. Der graue Ritter mit dem roten Mantel verharrte an der Bugreling, starrte reglos ins Wasser. Auch auf den beiden Schiffen, die der Etlantyca folgten, scherte sich niemand um die Schreienden und Ertrinkenden. Die drei Viermaster dampften aus dem Hafen. Ihre Rauchsäulen verschwammen mit der Dämmerung.
    Der Cabullo erzählte Bosco, was geschehen war: Poruzzen schwammen plötzlich durch den Hafen, mehr als vierzig Mann, alles Krieger der Wenz-Sippe. Nach der Niederlage im Morgengrauen hatten sie sich in den Klippen an der Ostseite des Hafens versteckt.
    Die fremden Eroberer hatten den Dreimaster der Meeresnomaden gleich nach der Einnahme der Siedlung geentert und von Bord geschafft, was ihnen brauchbar erschien. Die Frauen und alten Männer an Bord hüteten sich, an Widerstand auch nur zu denken. Danach kümmerte sich den ganzen Tag keiner mehr um das Nomadenschiff. Unbehelligt konnten die Poruzzenkrieger also zurück an Bord klettern und den Anker lichten. Als sie aber die Segel hissten, zuckte ein Blitz an der Bordwand eines der Viermaster auf, und einen Wimpernschlag später zersprang das Heck des Nomadenschiffes in tausend Trümmer, und die Takelage brannte lichterloh.
    Als das Schiff gesunken und die Schreie verstummt waren, wandte einer nach dem anderen sich ab, um von der Mauer zu steigen. Bosco blickte in die Gesichter: Aschfahl waren die meisten und wie gefroren vor Entsetzen. Schweigend zogen die Fischer und Wildsaujäger sich in ihre Hütten zurück. Auch der Letzte hatte nun begriffen, dass die Eroberer jeden Widerstand im Keim ersticken würden.
    Die halbe Nacht über lauschte Bosco den Stimmen der Fremden und dem Bass des schwarzen Riesen. Sie holten die Männer und Frauen der Siedlung einzeln aus den Hütten und befragten sie nach der Erdstadt Tikanum und ihren Bewohnern. Auch Bosco verhörten sie. Niemand hatte den Eroberern verraten, dass er vom Festland stammte, und sie selbst merkten es nicht. Für ihre Ohren sprach er den Dialekt der Insulaner fließend, und äußerlich unterschied er sich kaum von ihnen; dafür lebte er schon zu lange in der Wildnis. Er behauptete, die unterirdische Stadt nur aus Legenden zu kennen und die Legenden nur als Kind ernst genommen zu haben. Bosco konnte gut lügen, immer schon. Sie glaubten ihm und gingen zur nächsten Hütte. Lange nach Mitternacht erst kehrte Ruhe im Dorf ein.
    Bosco machte sich nichts vor: Diese Leute waren nicht gekommen, um das eine oder andere Nomadenschiff zu versenken und eine unbedeutende Barbareninsel zu erobern. Warum aber waren sie dann gekommen? Und woher? Düstere Ahnungen beschlichen ihn. Er fragte sich, wohin der Zwerg mit den Augengläsern und der graue Ritter aufgebrochen waren.
    Am nächsten Morgen kursierten Gerüchte, wonach dem jungen Cahn und seiner Sippe die

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