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Die Tochter Der Goldzeit

Die Tochter Der Goldzeit

Titel: Die Tochter Der Goldzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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umgestürzten Stamm und huschte ins Unterholz; die Alte folgte ihr. Sie schlugen einen weiten Bogen um das offene Tor, überquerten den Reitweg und erreichten die Rückseite der Palisadensiedlung. Dort übertönte das Geschrei der Wachvögel noch den Kampflärm am Tor, und dort roch es nach brackigem Wasser, Angstschweiß und Federfleisch.
    Die Erste war zufrieden: Was hätte die Nackthäuter der Waldsiedlung wirkungsvoller von ihrem Vieh ablenken können als ein Überfall? Beide Jägerinnen kletterten auf eine Eiche, deren Krone auf einer Seite über die Palisade wuchs. In der Siedlung schrien weibliche Nackthäuter und ihre Jungen.
    Kleine Flammen stiegen zwischen den Wipfeln hoch, zuckten durch die Morgendämmerung und fielen auf Hüttendächer. Die Angreifer schleuderten Eisenzähne an brennenden Holzstäben in die Siedlung; sie benutzten mit Sehnen bespannte Astbogen dazu. Manchmal hörten die beiden Jägerinnen die tiefe Stimme des Anführers brüllen.
    Die Erste spähte zum Teich: Dunst schwebte über dem Wasser, Schreivögel und kleineres Federfleisch hatten sich in Verschlagen am Ufer verkrochen, einzelne Nackthäuter aus der Siedlung rannten aus den Gassen zwischen den Hütten zum Teich, verschwanden im Dunst und im Schilf. Gekläffe von Langschnauzen schien plötzlich allgegenwärtig.
    Die beiden Jägerinnen sprangen in die Farnbüsche und Beerenhecken auf der Innenseite der Palisade, huschten, dicht ins feuchte Gras geduckt, zu den Verschlägen und schlüpften hinein. Die Alte biss zwei Quäkern die Hälse durch, die Erste schnappte sich einen großen Schreivogel. In der Deckung des Schilfs und der Dunstschwaden sprangen sie ins Wasser.
    Räuberische Nackthäuter mit gelb-schwarzem Haar durchkämmten das Schilf nach versteckten Siedlern. Sie schleuderten spitze Reißzähne aus Eisen an Wurfhölzern, sie hieben mit langen Reißzähnen aus Eisen ins Schilf. Selbst ihre Ohrmuscheln, Nasenflügel und Wangen hatten sie mit Eisen gespickt.
    Die Jägerinnen schleppten ihre Beute zwischen den Fängen mit sich, fanden den Zufluss des Teiches, fanden die Stelle, wo ein Flussarm unter der Palisade hindurch in die Siedlung strömte, und tauchten unter dem Holzwall hindurch auf die Waldseite des Zuflusses.
    Fackeln flackerten zwischen den Baumstämmen am offenen Siedlungstor, als sie zurück zu der Stelle am Fluss huschten, wo sie sich von der Reißerin und der Gelben getrennt hatten. Brandpfeile zischten durch die Dämmerung. Schreivögel kreischten hinter der Palisade, Langschnauzen bellten, großes Gehörn blökte und kleines Gehörn meckerte.
    Schon stiegen Rauchwolken über den Hüttendächern auf, Flammen erleuchteten den noch nachtdunklen Wald, wütendes Nackthäutergebrüll und Kampflärm drangen aus der Siedlung. Die Erste hörte den hämmernden Lärm gegeneinander knallender Eisenzähne. Doch der verebbte nach und nach, und lauter und eindringlicher klang bald das Jammergeschrei und Wehklagen der Gejagten, Gequälten und Sterbenden durch den neuen Morgen.
    Bald entdeckten die beiden Jägerinnen die Gelbe im hohen Ufergras. Sie war nicht allein. Neben ihr lag ein gerissenes Junggehörn, und vor ihr, im seichten Uferwasser, hockte der kleine rothaarige Nackthäuter. Er stieß schluchzende Laute aus, und mit jedem Schluchzen zuckten seine Schultern nach oben und sein Körper erbebte.
    Die Alte ließ ihre Beute ins Ufergras fallen, fletschte die Zähne und fauchte. Die Erste watete durch den Fluss, legte den toten Schreivogel neben das Junggehörn und setzte sich dicht am Ufer auf die Hinterläufe. Aufmerksam beäugte sie den kleinen Nackthäuter.
    Vielleicht hatte er drei Winter gesehen, vielleicht vier. Sein pelzloses Gesicht war nass, er wimmerte leise, er schluchzte, er zitterte. Auch der lange Eisenzahn in seinen Fäustchen zitterte. Seine großen Augen schimmerten nass und blau. Sein Gewimmer hörte sich an, als würde er mit jemandem zu sprechen versuchen, der sehr weit weg war. Er roch nach Harn und Angst.
    Die Gelbe erhob sich, stieg ins Wasser und beschnüffelte ihn. Statt ihm die Kehle durchzubeißen, schnappte sie nach seinem dunklen Ledermantel und zog ihn ins Ufergras. Der rote Nackthäuter schluchzte lauter und zitterte heftiger. Statt ihm die Kehle durchzubeißen, stieß die Gelbe ihm zärtlich die Schnauze gegen die Stirn und leckte ihm die salzige Feuchtigkeit von den Wangen.
    Der Anblick verstörte die Alte und weckte die Neugier der Ersten. Während die Alte mit gesträubtem Fell am anderen

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