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Die Tochter Der Goldzeit

Die Tochter Der Goldzeit

Titel: Die Tochter Der Goldzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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Flucht mit ihrem Schiff geglückt war. Bosco war sicher, dass die Fremden sie absichtlich hatten entkom-men lassen: Die Meeresnomaden sollten ihresgleichen berichten, was sie gesehen hatten; sie sollten den Schrecken verbreiten, der angesichts des eisernen Riesen, seiner gnadenlosen Krieger und ihrer verheerenden Waffen auf sie gefallen war.
    Gegen Mittag riefen die Fremden die Angehörigen aller Sippen des Dorfes auf dem Platz vor der Gemeinschaftshütte zusammen. Wer nicht freiwillig kam, wurde aus seiner Hütte dorthin geprügelt. Bosco kam freiwillig - er wollte wissen, was genau diese Leute planten; die Meisterin und die Ältesten von Tikanum mussten es erfahren. Das zitternde Mädchen zog er an der Hand hinter sich her.
    Die Bewohner der Siedlung fanden sich nach und nach auf dem Platz vor der Gemeinschaftshütte ein. Der Cabullo hatte sich seinen großen Holzstuhl mit der hohen Rückenlehne und den breiten Armlehnen herausschaffen lassen. »Richterthron« nannte er das klobige mit Wildsaufell bespannte Möbelstück. In ihm hockte er immer dann, wenn er Streit schlichten, Kriegsrat halten und Recht sprechen musste. Im Richterthron also nahm der Cabullo inmitten seiner Leute und vor der Veranda Platz, und Bosco vermutete, dass er mit dieser Geste wenigstens den Anschein aufrechterhalten wollte, noch immer der erste Mann der Siedlung zu sein. In Wahrheit hatte er nichts mehr zu sagen - allen, die Augen und Ohren im Kopf hatten, war das längst klar.
    Ein Dutzend schwer bewaffneter Fremder umringte Fischer, Jäger und ihre Familien. Sie trugen Harnisch und Helme aus einem harten, schwarz glänzenden Material, das Bosco nicht kannte. Ihre Gesichter waren bleich, ihre Mienen ausdruckslos, die Frauen unter ihnen unterschieden sich kaum von den Männern. Oben auf der Veranda standen drei ihrer Anführer. Zwei trugen schwarze Mäntel über ihren engen schwarzen Lederanzügen, einer einen roten Mantel. Bosco hatte bisher nur vier oder fünf in roten Mänteln gesehen. Er nahm an, dass diese einen höheren Rang innehatten als die anderen.
    Der schwarze Eisenmann stand zwischen seinen Mammutcaniden im Staub vor der Veranda, und obwohl deren Boden gut eine Speerlänge hoch über dem Staub auf Rundhölzern ruhte, überragte er sogar noch ihr Geländer um zwei Köpfe. Sein Visier war geschlossen, die Augenschlitze leuchteten bläulich-violett; vergeblich versuchte Bosco, sich das Gesicht dahinter vorzustellen. Er richtete seine verborgenen Sinne auf ihn - sein »inneres Augenohr«, wie er das nannte - spürte aber weiter nichts als eine kalte Leere.
    »Ihr müsst eines begreifen«, sagte der Eisenmann mit seiner tiefen, schleppenden Stimme. »Es gibt nur einen einzigen Gott, und das ist Dashirin. Er will den Frieden und das Glück aller Menschen. Auch euer Glück. Täglich werden wir euch deshalb seine Worte vorlesen und seinen Willen lehren. Heute fangen wir damit an. Ihr hört meinem Primoffizier zu, ihr lernt, ihr tut, was ihr gelernt habt, und dann wird alles gut.« Mit einer Geste bedeutete er denen auf der Veranda, zu beginnen, mit was auch immer. Die Scharniere seiner Rüstung quietschten, als er den Arm ausstreckte.
    Die drei auf der Veranda traten an die Brüstung. Der mit dem roten Mantel hielt auf einmal ein Buch in den Händen. Bosco staunte: ein Buch, hier, mitten unter den Barbaren? Das war neu für ihn!
    Der Primoffizier schlug das Buch auf und begann laut zu lesen: »Dies sind die Worte Dashirins, die er richtete an Alphatar im hunderteinundfünfzigsten Winter nach der Götternacht. >Höre, was ich dir sage, Alphatar<, sprach Dashirin ...«
    Spruch Dashirins an Alphatar - sofort erinnerte Bosco sich an den Titel des Buches! Das gab es auch in der Erdstadt, die Meisterin hatte es ihm einmal gezeigt. Allerdings war es nicht halb so dick wie der Band, aus dem der Fremde im roten Mantel vorlas. »>... Goldzeit nennen Unmündige und Narren die Epochen vor der Götternacht<«, las der Mann, den der Eiserne als Primoffizier vorgestellt hatte. »>Goldzeit! Träumer! Rotzeit sollten sie besser heißen, jene finsteren Jahrhunderte, oder noch besser: Schwarzzeit. Denn das Blut floss in Strömen damals, und wie die Hirne derer, die es vergossen, war der Himmel verdüstert, war er schwarz ...!<«
    Es war sehr still auf dem Dorfplatz. Die Barbaren liebten es, wenn man ihnen Geschichten erzählte. Dass man dabei in ein Buch starrte, hatten sie noch nicht erlebt. Dennoch hörten sie aufmerksam zu.
    »>... Schaute ich nicht

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