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Die Tochter Der Goldzeit

Die Tochter Der Goldzeit

Titel: Die Tochter Der Goldzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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gefesselten Mädchen kniete der Eisenriese und drückte seine Caniden an sich.
    Bosco dachte nicht nach, er schrie einfach los. Er schrie nicht, wie Männer in Zorn oder Angst zu schreien pflegten - er schrie wie die schneeweißen Lupucaniden, denen er am Aufstieg zum Eisgebirge begegnet war; er heulte, wie er eines ihrer läufigen Weibchen damals hatte heulen hören.
    In der zerstörten Festung unten rissen die Mammutrüden sich von dem Eisenriesen los und bellten - und von jetzt auf nun wich die unsichtbare Titanenhand von Boscos Körper. Blitzschnell kletterte er die Leiter hinauf und warf sich in den Höhlengang.
    Weinend und fluchend rannte er zurück in das Höhlensystem, rannte durch Stollen, kletterte durch Schächte - rannte, bis er vor der brodelnden See und der brüllenden Brandung stand. Wenn sie ihn erwischten, würde er reden. Er war doch auch nur ein zerbrechlicher Mensch! Unter der Folter würde er reden. Also lieber sterben.
    Bosco sprang.

Kapitel 12
    Zwei Schritte hinter dem Kopf des Mannes hockte Grittana mit gekreuzten Beinen auf einem Lederpolster. Noch einmal schloss sie die Augen, noch einmal tastete sie sich in den Geist des Südländers hinein: Sie spürte keine Wut mehr darin, kaum noch Trauer, und statt Konturen von Gestalten sah sie nur noch Schemen und Schatten. Einige fügten sich zu Linien und Flecken, die entfernt an ein Gesicht erinnerten. Vielleicht das Gesicht seiner Mutter.
    Grittana öffnete die Augen und stand auf. Ein letztes Mal sah sie dem Sterbenden in das graue Antlitz. Sein fiebriger Blick ging durch sie hindurch. Sie wandte sich ab, um die Kerkergrotte zu verlassen. Der Hüter der Quelle öffnete ihr die Kerkertür. Ein erfahrener Jäger, er und seine Gefährtin waren für den gesamten Nordflügel des unteren Bergstadtsegments verantwortlich. Dazu gehörte auch die Kerkergrotte. Sie wurde selten gebraucht.
    Hinter der Meisterin fiel die schwere Tür ins Schloss. Zwei Monde lang hatte der Südländer sich gewehrt - gegen den Tod und gegen Grittanas mentale Kräfte. Bis das Fieber seinen Widerstand gebrochen hatte. Seitdem war sein Geist wie eine Felsstadt ohne Tore.
    Gelbliche Leuchtringe an der Decke des schmalen Felsganges verbreiteten mattes Licht. Grittanas Schritte hallten von den feuchten Wänden wider. Viel hatte sie seinem Geist nicht entreißen können, doch was sie gesehen und erlauscht hatte, reichte, um eine Entscheidung zu treffen.
    Nach den Pilzhöhlen, den Fischbecken und den Felskellern, wo Früchte, Gemüse, Wurzeln und Saftfässer lagerten, erreichte sie die Teichgrotte. Die kleinste von drei Quellen der unterirdischen Stadt sprudelte hier. Zwei junge Männer arbeiteten an der Pumpe. Grittana nickte ihnen wortlos zu und durchquerte die Höhle. Sie schritt durch den etwa hundert Meter langen Felsstollen, von dem aus drei große Stollen in die Tiefe des Grablabyrinths führten. Dort pflegte die Sozietät seit über fünfhundert Wintern die Urnen mit der Asche ihrer Toten zu bestatten. Niemand wusste genau, wie viele Grotten und Gänge das Grablabyrinth umfasste. Aus den Zugängen zu den Waschhöhlen drangen Stimmen. Ein paar Männer und Frauen arbeiteten dort. An anderen Tagen hätte die Meisterin zu ihnen hineingeschaut, heute ging sie vorbei. Ihre Gedanken kreisten um den Sterbenden.
    Sieben Kundschafter hatten den Fluss unten im Tal überquert. Einem hatte Tondobars alter Hütedogger die Kehle zerbissen, vier hatten die Torwächter, Waldläufer und Jäger bei den Kämpfen getötet, der sechste war auf der Flucht ins Hochgebirge in eine Eisspalte gestürzt. Und nun starb auch der siebte.
    Durch einen mit buntem Blumenstuck verzierten Gang stieg Grittana ein Stück bergauf der unteren Haupthöhle entgegen. Trotz ihres hohen Alters brachte die Steigung sie nicht in Atemnot. Die Luft wurde feuchter, die Temperatur stieg mit jedem Schritt. Stimmen rückten näher.
    Musste man das unerwartete Auftauchen der Kundschafter nicht im Grunde als Segen betrachten? Grittana jedenfalls war dankbar für diese Warnung des Schicksals. Auch wenn Blut geflossen war, auch wenn die Bilder, die sie im Geist des Südländers hatte sehen müssen, sie mit Sorge erfüllten - besser, von Sorgen zum Handeln getrieben, als ohne Sorgen und untätig vom Unheil überfallen zu werden.
    Dampfschwaden schwebten durch die untere Haupthalle. Es war heiß hier. Gelächter und Stimmengewirr mischten sich in den Turbinenlärm. Vor dem rot und dunkelblau gekachelten Gang, der zur heißen Quelle

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