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Die Tochter Der Goldzeit

Die Tochter Der Goldzeit

Titel: Die Tochter Der Goldzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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führte, blieb Grittana stehen und lauschte dem Gelächter der Badenden. Ihre ernsten Züge entspannten sich. Sie hörte es gern, wenn die Menschen von Altbergen lachten.
    Der Dampf, der aus dem Gang quoll, trieb sie weiter zum Aufzugskamin neben der Kraftwerkshalle und zwischen den Lüftungsschächten. Halb in den Fels eingelassen, stieg hier auch eine der beiden großen Aquariumsröhren zu den oberen Ebenen hinauf. Bunte Fischschwärme zogen an der Glaswand entlang.
    Die Meisterin stieg in einen der gelben und zu Tulpenkelchen geflochtenen Körbe, zog am Glockenseil und hielt sich fest. Hoch über ihr im Kamin begann die Kurbel zu quietschen, der Aufzugskorb setzte sich in Bewegung und schwebte nach oben. Zwischen Aquariumsröhre, Lüftungsschächten und einer halbrunden Front aus Glassteinen vorbei führte der Aufzugsschacht zu den beiden anderen Ebenen von Altbergen hinauf. Hinter den Glassteinen sah Grittana die Turbinen rotieren. Der Dampfdruck des heißen Wassers trieb sie an, das man in Altbergen aus den Tiefen der Erde pumpte.
    Es war lange her, dass Fremde in der Nähe der Bergstadt aufgetaucht waren. Die Meisterin hatte während der vergangenen Wochen in der Chronik von Altbergen geforscht, zusammen mit Tondobar und dem Ratsältesten. Im dritten Band fanden sie einen Bericht über fremde Späher - der war mehr als fünfhundert Winter alt. Damals waren eine Frau und zwei Männer aus einer fernen Weltregion zur Sozietät gestoßen, die bei den Waldmännern und Ufersiedlern »Ostwildwelt« hieß. Die Frau war eine Heilerin gewesen. Mit anderen Abgesandten von der Lichterburg nach Jusarika geschickt, hatte sie den Auftrag, eine Nachbildung des Goldzeitschatzes zu den Überlebenden dort zu bringen. Auf dem langen Weg hatte jene Heilerin sich gegen die Gruppe gewandt und war mit zwei Gefährten nach Altbergen geflüchtet. Die Chronik überlieferte sogar ihren Namen. Im dritten Band hieß es, sie habe »gefährliches Geheimwissen« nach Altbergen gebracht. Zwei Absätze weiter wurde das »gefährliche Geheimwissen« wenigstens zum Teil näher bezeichnet: eine Landkarte des Festlandes zwischen dem Westmeer und dem Gebirge im äußersten Osten. Die Lage der Lichterburg war auf dieser Karte eingezeichnet.
    Was diese Frau sonst noch mit nach Altbergen gebracht hatte, fand Grittana nirgends erwähnt. Lediglich in welchem Gang des Grablabyrinths die Urne mit ihrer Asche stand, vermerkte die Chronik noch; und dass vier Winter, nachdem die Sozietät sie und ihre Begleiter aufgenommen hatte, bewaffnete Fremde am See und am Staudamm gesichtet worden waren. Vermutlich hatten sie nach der Heilerin gesucht. Waldbewohner töteten oder vertrieben die Männer. Danach tauchten nie wieder Kundschafter auf. Bis vor zwei Monden.
    Es wurde heller, trockenere und kühlere Luft strömte in Grittanas Nase. Der Tulpenkelch erreichte die mittlere Ebene und hielt an. Ein grauhaariger Hüne ließ die Kurbel los, griff nach dem schwankenden Korb und öffnete die Tür. »Geht es dir gut, Grittana?«
    »Danke«, sagte die Meisterin geistesabwesend. Sie stieg aus. »Und dir, Borg?« Der Hüne hatte zu den ersten Schülern gehört, die sie eigenständig erzogen hatte. Lange her.
    Borg war bis in seine mittleren Jahre in der Garde der Katafrakte geritten. Wie die meisten gepanzerten Reiter war er groß und muskelbepackt. Seit ein paar Wintern stand er an der Kurbel der Aufzugskörbe. »Ich bin zufrieden.« Er lächelte. Grittana registrierte es mit Erleichterung. Vor drei Wintern hatte ein Bär Borgs Frau getötet. Der starke Mann war lange nicht darüber hinweggekommen.
    Sie nickte ihm zu, wandte sich ab und durchquerte die Haupthalle der Mittelebene, ein grün und gelb gekacheltes, gut beleuchtetes Gewölbe. Kolks flatterten unter der Kuppel. In den Volieren zwischen den Toren pfiffen Singvögel im Geäst von Miniaturbäumen. Caniden dösten unter muschelförmigen Sitzbänken. Kinder tollten um die blaue Spirale des zentralen Springbrunnens herum, unter ihnen Katanja. Frauen und Männer hockten am Brunnenrand, banden Sträuße aus Trockenblumen, flickten Schuhe, schnitzten, strickten. In den letzten sechzig Stunden hatten nur einige Wächter des Tores und eine Gruppe Waldläufer sich vor das Bergstadttor ans Tageslicht gewagt - so lange schon tobte außerhalb der Bergstadt ein Gewittersturm.
    Die Waldleute verirrten sich so gut wie nie in die Nähe der Lichtung und des Torwaldes, die Ufersiedler schon gar nicht. In den Wirren der düsteren

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