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Die Tochter Der Goldzeit

Die Tochter Der Goldzeit

Titel: Die Tochter Der Goldzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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blühenden Wiesen und Bäume versöhnten sie mit ihrem Schicksal. Janner erfand Melodien, und Katanja begann ihre Flöte zu vermissen. Wie fast alles, was sie besaß, war das Instrument in ihrer Truhe zurückgeblieben. Also begann sie, Janners Melodien nachzupfeifen und zu summen. Sie dichtete Sätze zu ihnen, und bald sangen sie einander Liebeslieder und lustige Balladen vor. Sie liebten sich unter Bäumen, im hohen Gras, im Fluss, sie schworen einander, sich niemals wieder zu verlassen.
    Den Flusslauf entlang wanderten sie nach Westen. Die Berge wurden flacher, der Wald dichter, immer häufiger kamen sie an Mauerresten vorbei. Janner war sicher, dass der kleine Fluss in den Großen Strom mündete. Dort wollte er ein Boot bauen - oder zumindest ein Floß - und mit ihm den Weg zum Nordmeer fortsetzen. Die Liebe und der Frühling tauchten ihnen die Welt und die Zukunft in strahlendes Licht. Sie waren so voller Hoffnung.
    Am Rande eines ausgedehnten Ruinenwaldes erlegte Janner ein junges Schwarzschwein. Als sie es schlachten wollten, flatterten die Kolks plötzlich auf und krächzten aufgeregt. Ein Eber und ein Mutterschwein brachen aus dem Unterholz und griffen an. Das Paar sprang auf und griff zu seinen Waffen. Katanja jagte dem Eber einen Pfeil in den Schädel. Sein massiger Körper überschlug sich, der Boden erzitterte. Janners Pfeil verfehlte das Mutterschwein. Es war fast so groß wie ein Mammutwidder. Vergeblich griffen die Kolks das Tier an. Katanja und Janner flohen in eine der Ruinen.
    Das schwarzpelzige Schwein folgte ihnen. Sie kletterten durch eine Hecke aus wildem Wein, die eine der Maueröffnungen verschloss. Das Schwein sprang hinterher. Sie rannten in die große Ruinenstadt hinein. Das Schwein jagte ihnen nach. Mit vier Pfeilen trafen sie das Tier, doch keiner brachte es zu Fall. Der Schmerz steigerte die Wut des Schwarzschweins nur noch mehr. Es hetzte das Paar tiefer und tiefer in die Ruinenstadt hinein.
    Plötzlich hörten sie das Tier erbärmlich quieken. Sie warfen sich hinter einer Mauer in Deckung und lauschten. Der polternde Lärm des Schweinegalopps war verstummt. Stattdessen grunzte und quiekte das Schwein, als würde jemand es mit Pfeilen spicken. Ein tiefes Brummen mischte sich in sein Gequieke. Nie zuvor hatte Katanja ein derartiges Geräusch gehört.
    »Was ist das?«, flüsterte sie.
    Sie schlichen aus der Deckung. Hundertfünfzig Schritte weiter, an einer von Moos und Efeu bedeckten Ruine, spähten sie um die Ecke. Das große Schwein wälzte sich schreiend im Unterholz, ein Schwarm kleiner, schwarz-gelber Vögel umschwirrte es. Einige hockten schon in seinem Pelz.
    Auf den zweiten Blick erst erkannte Katanja, dass es keine Vögel, sondern Insekten waren. Sie sahen aus wie Mammuthornissen. Was ihre Pfeile nicht geschafft hatten, bewirkten deren Stiche. Das Schwein versuchte vergeblich, wieder auf die Beine zu kommen. Es war bereits halb gelähmt.
    Einige schwarz-gelb gestreifte Insekten lösten sich aus dem Schwarm und brummten auf sie zu.
    »Weg hier!«, zischte Janner.
    Er fasste Katanjas Hand und zog sie mit sich. Sie rannten durch Straßenzüge voller Buschwerk und Bäume, sie huschten in Ruinen, durchquerten zahllose Räume und sprangen durch die Fenster der halb zerfallenen Häuser wieder ins Freie. Das drohende Brummen der riesigen Hornissen kam näher und näher.
    Janner zog Katanja in eine Gasse hinein. Sie stolperte und schlug lang hin. Plötzlich spürte sie einen Luftzug am rechten Ohr. Janner riss sich die Jacke vom Leib und schlug auf ihren Rücken ein, um die Hornissen zu vertreiben. Doch ein Insekt klammerte sich in Katanjas schwarzem Lockenkopf fest.
    Sie schrie auf und wollte sich ins Haar fassen.
    »Nicht!« Janner hielt ihre Hand fest und griff selber zu. Er packte das große Insekt, wollte es abschütteln, doch es stach ihn in die Handinnenfläche. Er stöhnte auf, streifte es mit dem anderen Arm ab, und Katanja schlug mit einem Stein zu - das Tier zerplatzte.
    Janner half Katanja auf die Beine, sein Gesicht war schmerzverzerrt. »Weg hier!«, keuchte er.
    Sie rannten tiefer in die Ruinenstadt hinein.
    Auf einem großen Platz voller Birken, blühendem Löwenzahn und Kirschbäumen brach Janner zusammen. Katanja richtete ihn noch einmal auf und stützte ihn. »Komm, Janner, komm weiter!«
    Mit ihrer Hilfe schleppte er sich bis zur Mitte des Platzes, wo eine von Moos und wildem Wein bedeckte Pyramide fünf Meter hoch aus Holunderbüschen und Haselnusssträuchern ragte.

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