Die Tochter Der Goldzeit
Gardisten, die dich zu mir geführt haben, sind mir treu ergeben.« Sie sah ihm fest in die Augen. »Genau wie du.«
Ingus nickte eifrig.
»Sie werden das Weib auf dein Schiff bringen. Bald. Es wird betäubt sein und gefesselt. Wenn die Mündung des Tham hinter dir liegt und du aufs offene Meer hinaus segelst, warte, bis es dunkel wird. Dann wirf das Weib über Bord.«
Der Kapitän nickte stumm. Falls er erschrocken war, ließ er es sich nicht anmerken.
»Fremde Eroberer herrschen jetzt in Dalusia«, sagte er, als Torya sich verabschiedete. »Viele Sommer dauerten die Kämpfe um die Hauptstadt. Der neue Fürst heißt Nadolpher. Sein Kriegsmeister ist ein grausamer Ritter. Nie hat ihn einer mit geöffnetem Visier gesehen.« Er schob seiner Königin ein in Leder gebundenes Buch über den Tisch. »Die fremden Eroberer glauben an einen neuen Gott und gaben mir Bücher wie dieses hier. Sie sagten, ich solle sie in Albodon verschenken. Auch im Palast.«
Torya schlug das Buch auf und las den Titel: Spruch Dashirins an Alphatar.
Kapitel 6
Zwei junge, kräftige Burschen hatten Bosco gepackt und hielten ihn fest. Ein dritter Mann drückte ihm eine Speerspitze an die Kehle, und ein vierter kniete vor ihm und betrachtete Boscos Binocular, das aus der Sozietätswerkstatt stammte. »Wer bist du?«, fragte er mit lauerndem Blick.
Bosco kannte ihn gut - er hieß Tiban.
»Ich bin Bosco von Tikanum, du Canidenarsch«, sagte er heiser. »Meine Meisterin heißt Tarsina - und deine auch, das schwör ich dir!«
Keine Späher des Eisernen waren über ihn hergefallen, auch sonst keine Barbaren - Waldläufer der Erdstadt waren plötzlich aus dem Dickicht gesprungen und hatten sich auf ihn gestürzt.
Verblüfft sahen die Männer einander an. »Tarsina«, kam es dann zögernd und vierfach zurück. Sie ließen ihn los. Der Name der Meisterin galt als Parole in den Sozietäten.
»Bei allen guten Geistern des Waldes, Bosco!« Tiban umarmte ihn. »Ich erkenn dich nicht wieder! Du siehst ja aus wie ein liebeskranker Knochenmann!«
»Ja und?« Bosco hielt den Jüngeren fest. »Muss ich einen Schönheitswettbewerb gewinnen, damit man mich zu Hause reinlässt?« Seine Stimme brach, Tränen der Erleichterung schossen ihm in die Augen.
Der Speerträger gab ihm zu essen und zu trinken, die beiden Jüngeren staunten ihn an. Sie hatten damals gerade lesen und schreiben gelernt, als er - vor bald zwanzig Sommern - von der Erdstadt in die Wildnis umgezogen war.
»Wie sieht es aus im Osten?«, wollte Tiban wissen. Er war groß und drahtig, hatte hellblaue Augen und schwarze Locken und noch keine dreißig Sommer gesehen. »Sind dir fremde Krieger in schwarzen Rüstungen aufgefallen? Und wie viele Posten der Barbaren hast du gesehen?«
Bosco winkte ab. »Viel zu viele.« Mit knappen Sätzen berichtete er, wie er vom Gebirge ins Hügelland eingedrungen war, schilderte die Stützpunkte der Krieger des Eisernen, beschrieb ihre Lager.
Dass er zwei Männer getötet hatte, erzählte er nicht.
»Krieger des Eisernen ...?«Tiban rieb sich das Kinn und machte eine ratlose Miene. »Die Ältesten sind in großer Sorge wegen der vielen Barbaren, die sich in letzter Zeit hier in den Hügelwäldern herumtreiben, und wegen dieser Fremden. Wir haben die Meisterin zur Zeitfuge nach Pugium begleitet. Tarsina will die Anderen um Rat fragen, und wir sollen die Routen der Barbaren auskundschaften.« Tiban beugte den Kopf zu Bosco und senkte die Stimme. »Du sprichst doch nicht etwa von dem Eisernen, den die Chronik erwähnt?«
»Himmel, ihr habt ja keine Ahnung, was sich an den Küsten des Kleinen Südmeers zusammenbraut!« Bosco schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Bringt mich zur Meisterin, ich werde ihr ganz genau erklären, was die Barbaren und die fremden Krieger hier suchen, das schwör ich euch!«
Sie holten einen Mammutwidder aus einer Erdhöhle, der ihr Gepäck trug. Bosco stieg auf seinen Rücken, Tiban schritt neben ihm her. Die drei jüngeren Waldläufer gingen voraus.
Gegen Mittag erreichten sie eine Ansammlung von Mauerresten inmitten uralter Olivenbäume und Eichen. Ein gut getarnter Pfad führte in die Ruinenstadt Pugium hinein. Eine Lichtung öffnete sich, ein Turm ragte an ihrem Rand aus den Eichenwipfeln. Zwischen den Feigenbäumen am Waldrand erkannte Bosco Reste von Säulen und Steinbogen, teils gut erhalten und mit Efeu bedeckt. In der Mitte der Lichtung erhob sich eine Brunnenfassung zwischen zwei abgebrochenen Säulen. Das war
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