Die Tochter Der Goldzeit
Dort ließ er sich ins Moos fallen und atmete schwer.
Katanja kniete neben ihm nieder und wischte ihm den kalten Schweiß von der Stirn. Die Hand, in die das Insekt ihn gestochen hatte, war gelähmt und glühte dunkelrot. Katanja flößte ihm Wasser mit Weißbaumrindenpulver ein.
Bis zum Abend kroch ihm die Röte über den Ellenbogen zur Schulter hinauf. Sein Unterarm schwoll, bis er so dick war wie seine Wade. Katanja küsste ihm den Schweiß aus dem Gesicht. »Du hast versprochen, mich nie mehr zu verlassen«, schluchzte sie. »Du hast es doch versprochen ...«
Die ganze Nacht über wachte sie neben dem Sterbenden, küsste ihn, tränkte ihn, flüsterte ihm zärtliche Worte ins Ohr. Die ganze Nacht lang weinte sie leise in sich hinein. Er sollte es nicht hören, sollte ihre Trauer nicht mit über die Schwelle nehmen.
Im Morgengrauen landete ein schiefergrauer Kolk auf der Pyramide und krächzte. Katanja blickte auf - es war Merkur. Der Blaue, ihr Kolk, der am liebsten stumm und reglos auf ihrer Schulter saß, spreizte die Schwingen und flog zu ihm hinauf.
Plötzlich trat ein uralter Mann aus dem Holundergestrüpp. »Weint es, das Täubchen? Muss nicht weinen! Kann ja noch atmen, hat ja noch Leben in sich.«
Katanja starrte ihn an. Der Uralte war klein, dürr, verwachsen und in einen schmutzigen grauen Ledermantel gehüllt, der ihm viel zu groß war und bis zu den riesigen nackten Zehen reichte. Seine Augen funkelten rötlich, sein Gesicht war schmal und hohlwangig, langes weißes Haar rahmte es ein, und seine grau-schwarze Haut sah aus wie schmutziges Elfenbein, in das jemand tausend Zeichen geschnitzt hatte.
Eine Erscheinung, dachte Katanja, das kann nur eine Erscheinung sein . .. Erschöpfung und Schmerz verwirrten ihre Sinne, glaubte sie.
Der verwachsene Greis blinzelte auf Janner hinunter, der nicht mehr atmete. »Schade, schade .« Wie ein uralter Kolk krächzte er.
Er streckte seine dürre Klaue nach Katanjas Haar aus. Sie merkte kaum, wie er sie berührte. Nur das fahle Gesicht des Geliebten nahm sie noch wahr, nur Janners gebrochene Augen. »Das Täubchen muss weitergehen, und das Täubchen kann weitergehen. Sakrydor wird es begleiten.«
»Lass mich .« Katanja streckte sich neben dem toten Janner aus. »Ich bleibe bei ihm, bis auch ich tot bin.« Aus nassen Augen blickte sie zu Merkur und dem Blauen hinauf. »Bis ich im Reich der Toten bei Janner und Weronius bin.«
»Wie dumm sie doch redet!« Der Gnom schnalzte tadelnd mit der Zunge. »Sie muss weitermachen! Das war doch erst der Anfang! Was denkt sie denn bloß?«
Katanja griff nach Janners Hand. Die war noch warm. Sie schloss die Augen und weinte, bis sie keine Tränen mehr hatte. Irgendwann schlief sie ein.
Das grelle Licht der Mittagssonne weckte sie. Sie hörte Stimmen. Erschrocken riss sie dem toten Janner seinen Dolch aus dem Gurt und sprang auf. Männerstimmen. Sie lauschte. Kolks krächzten. Die Stimmen kamen näher, Schritte raschelten im Unterholz.
Sie lief um die Pyramide herum. Bärtige Schwertträger stapften durch das Gestrüpp zwischen den Ruinen. Plötzlich schwirrte etwas durch die Luft und fiel auf sie herab. Katanja riss die Arme hoch, griff in die Maschen eines Jagdnetzes, stürzte ins Moos.
Kapitel 5
Zum dritten Mal klopfte es schon. Torya löste sich aus den Armen ihres Liebhabers und schob sich aus dem Bett. Burgas knurrte behaglich, blinzelte kurz und schnarchte weiter.
Niemals würde die alte Kammerdienerin es wagen, sie auf dem Liebeslager zu stören, wenn es nicht einen wichtigen Grund dafür gab. Torya schlüpfte in ihren roten, seidenen Morgenmantel, huschte barfuß zur Tür und öffnete.
Die alte Dienerin stand im kleinen Vorraum, drei Schritte vor der Schwelle zum eigentlichen Schlafgemach der Königin. Sie deutete eine Verbeugung an. »Zwei Gardisten warten mit Kapitän Ingus im Esszimmer der Stallknechte.«
»Und deswegen klopfst du?«, zischte Torya. »Jetzt?«
»Verzeih.« Bis zur Haupttür wich die alte Kammerdienerin zurück. »Die beiden Gardisten sagten, du hättest ihnen eingeschärft, Ingus in den Palast zu bringen, sobald sie ihn gefunden haben. Außerdem sticht sein Schiff noch in dieser Nacht wieder in See.«
Torya sog scharf die Luft durch die Nase ein. »Na gut.« Ihre zornigen Züge glätteten sich. »Gib ihnen zu essen und zu trinken. Ich komme bald.« Die Königin entließ die alte Dienerin und eilte zurück in ihr Schlafzimmer.
Im zerwühlten Bett räkelte sich Burgas, nackt und
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