Die Tochter der Hexe
Goldschmied namens Honauer kamein Jahr später nicht so glimpflich davon – er wurde aufgehängt und zwar an einem Galgen aus jenem Mömpelgarder Eisen, das er in Silber hatte verwandeln wollen.»
Sie spürte, wie sie zu zittern begann, als Diego sie weich und fordernd zugleich zu küssen begann. Alles in ihr drängte zu ihm hin, die Glut, die sie in Jonas’ Armen kennen gelernt hatte, ergriff von ihrem Innern Besitz und wurde zu einem Schwelbrand, gegen den sie sich kaum noch wehren konnte.
Sie holte tief Luft und löste sich von ihm.
«Und dann bist du aus Deutschland geflohen?»
Vorsichtig, als berühre er ein zerbrechliches Kleinod, schob er seine Hand in ihr Mieder.
«Ja, nach Spanien. Mir war eingefallen, dass die Tübinger Jakobuskirche Station auf dem Pilgerweg nach Sankt Jakob zu Compostel ist, und ich schloss mich einer Gruppe bußfertiger Menschen an, ganz der Sitte nach, mit Pilgerstab und Muschel am Hut. In Spanien dann erfuhr ich, wie gesucht Pilgerführer waren, als Beschützer gegen die zunehmende Zahl von Gaunern und Landstreichern, und ich verdiente fortan ohne viel Arbeit meinen Unterhalt. In jener Zeit habe ich mir übrigens Vollbart und lange Haare wachsen lassen und mich in Don Diego verwandelt.» Er küsste den Ansatz ihrer Brüste. «Vier Jahre lang ließ ich es mir gut gehen – bis sich dieses Malheur mit den Kinzigtäler Mönchen ereignete. Ich kehrte nach Deutschland zurück und traf auf Sonntag. Er entdeckte übrigens meine Begabung als Komödiant. Ich gab mich weiterhin als Spanier aus, um auf württembergischen Gebieten nicht in Schwierigkeiten zu geraten. Und nach all den Jahren dachte ich, es sei genug Zeit vergangen und ich könne mich wieder in Stuttgart vor dem Herzog blicken lassen. Aber da habe ich mich wohl maßlos getäuscht. Ich hätte es wissen müssen, schließlich hat mich vorletzten Winter auch einer meiner ehemaligen Goldmacherkumpane erkannt.»
«Die Narbe an deinem Rücken.» Sie wollte seine Hand festhalten, die jetzt unter ihren Rock wanderte, doch sie fand nicht mehr die Kraft dazu.
«Er war hinter mir her, weil er glaubte, ich hätte damals den Barren Silber mitgehen lassen, den der Herzog uns zur Verfügung gestellt hatte. Dabei war ich der Falsche.»
Sie unterdrückte ein Stöhnen, als er die Innenseite ihrer Schenkel berührte.
«Wie gern hätte ich dir in Tübingen alles gezeigt.» Sanft bettete er sie neben sich auf das Fell, streifte ihr Mieder und Bluse ab. «Das prächtige Schloss, meine geheime Badestelle am Neckar», er zog sich aus, während er weitersprach, «die Mädchenschule, die astronomische Uhr am Rathaus, die den Lauf der Gestirne und die Mondphasen anzeigt –»
Sie hörte ihm kaum noch zu, wollte sich wehren gegen seinen warmen nackten Körper, presste sich an ihn, küsste ihn, wie um die Hitze, die in ihr brannte, zu lindern, bat ihn, flehte ihn an, nicht aufzuhören, vernahm noch wie aus weiter Ferne seinen Liebesschwur, dann versank sie in der Tiefe eines glühenden Strudels.
28
Als Marthe-Marie vom ersten Morgenlicht erwachte, war das Lager neben ihr leer. Es dauerte etliche Augenblicke, bis ihr klar vor Augen stand, was in der vergangenen Nacht geschehen war. Sie fühlte sich erschöpft, hatte wohl auch nur wenige Stunden geschlafen. Ihr fiel ein, dass Diego für die zweite Nachtwache eingeteilt war – demnach hatte er wohl gar nicht geschlafen.
Sie streckte ihre klammen Glieder und kletterte aus dem Wagen.Direkt vor ihr stand Marusch mit einem Eimer Wasser in der Hand.
«Guten Morgen, meine Liebe. Ich hab dich schon vermisst.»
Sie zwinkerte, und Marthe-Marie spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss.
«Es sind schon alle auf, nicht wahr?»
«Ja, und du solltest dich beeilen, sonst bekommst du vom Morgenessen nichts mehr ab. Danach brechen wir gleich auf. Übrigens: Es wird dich freuen oder auch nicht – unser neues Ziel ist der große Jahrmarkt in Ulm.»
Marthe-Maries Müdigkeit war mit einem Schlag verschwunden.
«Ulm?»
«Leos Einfall. Da uns das Gastspiel vor dem Württemberger Herzog nun einmal verwehrt ist, sieht er in der großen Reichsstadt eine zumindest halbwegs einträgliche Möglichkeit, wieder auf die Beine zu kommen. Du kennst ja das Sprichwort: Ulmer Geld regiert die Welt.»
Marthe-Marie zog sich ihren Umhang fester um den Leib. Ob Jonas wohl immer noch –
In diesem Moment legte sich ein Arm um ihre Hüfte, eine bärtige Wange kitzelte ihren Nacken.
«Hast du gut geschlafen?»
In Diegos
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