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Die Tochter der Hexe

Die Tochter der Hexe

Titel: Die Tochter der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Blick zu Niklas. «Pechmutz. Und der Welsche Geck, Hasenköttel, Hering und die anderen.»
    «Pechmutz? Welscher Geck?» Sonntag zog die Augenbrauen in die Höhe. «Was sind das denn für Namen?»
    Tilman schwieg.
    «Ihr verschwindet jetzt nach oben und schlaft euren Rausch aus. Und morgen will ich diese Burschen kennen lernen, verstanden?»
    Als Tilman und Niklas am nächsten Tag ihre Freunde vorstellten, waren deren Gesichter Marthe-Marie nicht ganz unbekannt.
    «Einige von denen habe ich hier schon gesehen», sagte sie leise zu Marusch.
    «Ich auch. Und ich sehe auf Anhieb, dass das kein Umgang für unsere Kinder ist.»
    Dabei war Pechmutz, ein hoch gewachsener Junge von vielleicht dreizehn Jahren und ganz offensichtlich der Anführer, mit seinem sommersprossigen Gesicht und den hellblonden Haaren ein hübscher Bursche. Befremdend wirkte allerdings das grenzenlose Selbstbewusstsein, das aus jeder seiner Gesten sprach.
    «Du bist also Pechmutz.» Sonntag musterte ihn eindringlich. «Und die anderen?»
    Pechmutz wies auf seine Freunde, zu denen auch zwei Mädchen gehörten. «Dickart, der Welsche Geck, Eulenfänger, Hering, Wespe, Klette, Hasenköttel und Bettseicher.»
    «Das sind doch nicht eure richtigen Namen?»
    Pechmutz zuckte die Schultern. «Ist das so wichtig?»
    «Und was sagen eure Eltern dazu, dass ihr am helllichten Werktag nicht bei der Arbeit seid?»
    «Wir haben keine Lehrherren. Wir sind erst vor kurzem von der Alb gekommen, weil unser Weiler abgebrannt ist. Alle außer uns sind in den Flammen umgekommen. Alle sind sie tot.»
    Jetzt standen ihm tatsächlich Tränen in den Augen. «Seitdem sind wir täglich auf der Suche nach ehrlicher Arbeit, um nicht hungern zu müssen.»
    «Der lügt wie ein Pfannenflicker», flüsterte Marusch. «Von der Alb, dass ich nicht lache. Schau nur die gute Kleidung. Und festes Schuhwerk trägt er wie ein Bürgersöhnchen.»
    Marusch hatte Recht. Das alles passte hinten und vorne nicht zusammen. Seltsam schien ihr auch, dass die anderen Kinder bei weitem ärmlicher und schmutziger gekleidet waren.
    «Erlaubt Ihr uns nun zu gehen?»
    Pechmutzens Tonfall war höflich, doch sein Gesicht nahm einen Ausdruck von Geringschätzung an.
    Der Prinzipal nickte.
    «Wir auch?», fragten Tilman und Niklas fast gleichzeitig.
    «Verschwindet. Aber pünktlich zur Vorstellung seid ihr zurück, keinen Glockenschlag später. Und macht keinen Unsinn.»
    Diego sah ihnen nach. «Diesen Pechmutz sollten wir als Schauspieler anheuern. Ein wahres Talent.»
    Marusch verbarg ihren Ärger gegenüber Sonntag nicht.
    «Bist du von allen guten Geistern verlassen? Wie konntest du unsere Kinder gehen lassen! Das ist sauberes Diebsgesindel, nichts anderes, das verraten doch schon die Namen. Und Pechmutz ist ihr Anführer.»
    «Soll ich die beiden in Fesseln legen? Tilman und Niklas sind alt genug, um Recht und Unrecht unterscheiden zu können. Was meinst du, Lambert?»
    «Ich gebe dir Recht. Solange sich Niklas und Tilman an unsere Abmachungen halten, können wir sie nicht anbinden.»
    Marusch schüttelte fassungslos den Kopf. «Seid ihr denn alle blind? Von wegen ehrlicher Arbeit. Habt ihr nicht mitbekommen, wie sie sich im Publikum herumgedrückt haben? Ich möchte nicht wissen, wie viele Geldkatzen sie im Gedränge den ahnungslosen Zuschauern geklaut haben. Diese Sorte Kinderbanden kenne ich zur Genüge. Tagsüber gehen sie auf Beutezug, und abends besaufen sie sich, bis sie vors Kirchenportal kotzen. Am Ende landen sie alle im Zuchthaus, und das auch nur, weil sie für den Galgen noch zu jung sind. Dass sich unsere eignen Kinder mit solchem Gelichter rumtreiben, das fehlt uns gerade noch. Als ob wir in den letzten Monaten nicht genug Scherereien gehabt hätten.»
    «Du übertreibst, Marusch. Hast du vergessen, wie die Kinder im letzten Winter unser Brot verdient haben, mit Botengängen, Viehhüten, Lastentragen? Hätte es dir damals gefallen, wenn die Horber Bürger sie als Diebsgesindel geschmäht hätten?»
    «Du glaubst doch wohl nicht, dass diese Horde hier auch nur einen Handstreich arbeitet. Ich werde jedenfalls heute Abend ein ernstes Wörtchen mit meinem Sohn reden.»
    Doch weder Tilman noch Niklas erschienen rechtzeitig zur Vorstellung. Stattdessen stieg mitten in Quirins Feuerzauber ein mit Pike bewaffneter Scherge auf die Bühne und erklärte das Gastspiel für beendet.
    Die Zuschauer begannen lauthals zu protestieren. Diejenigen, die bereits bezahlt hatten, verlangten ihr Geld zurück und

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