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Die Tochter der Hexe

Die Tochter der Hexe

Titel: Die Tochter der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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antwortete nicht. Sie hatte noch immer und immer wieder das entsetzliche Bild der blutüberströmten Mettel vor Augen. Außerdem sorgte sie sich um Agnes: Das Mädchen war in den letzten Wochen um mindestens zwei Zoll gewachsen und wurde dabei immer magerer.
    «Erst Isabell und Pantaleon», fuhr Marusch fort, «dann unser Medicus und jetzt Mettel und Maximus.» Sie sah Marthe-Marie an.
    «Es wird mir das Herz zerreißen, wenn auch du uns eines Tages verlässt. Und trotzdem bitte ich dich: Gib die Suche nach deinem Vater nicht auf. Es wird uns noch um einiges übler ergehen, das ahne ich; du wirst das nicht durchstehen können. Du musst ein Zuhause finden. Wenn nicht um deinetwillen, dann für deine Tochter.»
    Marthe-Marie blickte ihre Freundin erstaunt an. «Woher willst du wissen, dass es noch schlimmer kommt? Kannst du in die Zukunft sehen? Und was meinen Vater betrifft – diesem Wunschtraum bin ich wahrscheinlich schon viel zu lange hinterhergelaufen.»
    «Du versuchst nicht einmal mehr, ihn zu finden.»
    «Ach, Marusch, lass gut sein. Agnes und ich haben keine andere Heimat als hier bei euch; es soll wohl so sein.»
    Marusch schüttelte den Kopf. «Wenn du nichts unternimmst, dann werde eben ich künftig in jeder Stadt, in jedem Dorf Nachforschungen anstellen.»
    Zu ihrer Überraschung trafen sie kurz vor Ulm auf Ambrosius. Kleinlaut bat der Wundarzt den Prinzipal, sich ihnen wieder anschließen zu dürfen. Die kurze Zeit bei den Gebrüdern Brockmann war offenbar furchtbar gewesen: Mit zitternder Stimme schilderte Ambrosius, wie streitsüchtig und hinterhältig die Brüder gewesen seien, und dazu fast immerfort betrunken. Böse misshandelt hätten sie die armen Kreaturen und schlimmer als Vieh gehalten. Am Ende sei auch er selbst nicht von Prügeln verschont geblieben.
    Ambrosius musste vor versammelter Truppe geloben, künftig sämtliche Einnahmen in Sonntags Hände zu geben, dann durfte er bleiben.
    Fast schien das Glück sie in Ulm wieder unter seine Fittiche nehmen zu wollen. Man gewährte ihnen ohne viel Umstände Einlass in diese reiche Stadt, die einstige Lieblingspfalz Kaiser Barbarossas, die für ihre edlen Barchentwaren weit über das Reich hinaus berühmtwar. Dabei konnten sie überaus günstige Bedingungen aushandeln: So brachten sie ihre Tiere kostenfrei in der Vorstadt unter, bezogen Logis in einer einfachen und doch sauberen Herberge unweit des Seelhauses und durften die Höhe des Eintrittsgeldes nach eigenem Gutdünken festlegen. Am Sonntag sollten sie sogar exklusiv vor dem Magistrat spielen. Die hohen Herren schienen geradezu begierig darauf, eine Frau in der Rolle der Julia zu sehen. Einzig Salome hatte einmal mehr das Nachsehen, denn eine alte Verordnung stellte Wahrsagerei und Segensprechen unter Strafe. Alles hätte sich demnach zum Guten wenden können, wären nicht Pechmutz und seine Gesellen ihnen in die Quere gekommen.
    Niklas und Tilman hatten den schlaksigen Burschen aufgegabelt. Das war am dritten Tag. Sie hatten ihre erste Vorstellung unter großem Jubel und nicht enden wollendem Applaus beendet. Der Bühnenwagen stand im Schatten des gewaltigen Münsters, das allein mit den Geldern der Zünfte und Patrizier erbaut worden war und das Selbstbewusstsein der Bürger dieser Stadt weithin sichtbar zur Schau stellte.
    Der Prinzipal stach gerade ein Fass Bier zur Feier an, als Marusch von einem Rundgang durch die Zunfthäuser zurückkehrte, ohne dass sie etwas über Benedikt Hofer erfahren hätte. Marthe-Marie wagte nicht zu fragen, ob sie sich auch nach Jonas erkundigt hatte. Sie selbst hätte niemals etwas in dieser Richtung unternommen, konnte aber genauso wenig verhindern, dass sie sich nach jedem jungen Mann umsah, der die Statur und die langen hellbraunen Haare von Jonas besaß.
    Sonntag bemerkte, dass Tilman und Niklas fehlten.
    «Die können was erleben», brummte er verärgert, denn zu den Pflichten der beiden Jungen gehörte es, nach der Vorstellung beim Abbau zu helfen. Erst am späten Abend erschienen sie in der Herberge, und zwar reichlich betrunken. Marusch erwischte sie, als sie sich die Stiege hinauf in den Schlafraum schleichen wollten,packte sie hart am Nacken und führte sie zu den anderen in die Schankstube.
    «Wo wart ihr?», donnerte der Prinzipal.
    «Unterwegs», murmelte Tilman.
    «Geht es auch genauer?»
    «Mit unseren neuen Freunden.»
    «Und was sind das für Freunde, mit denen ihr euch voll laufen lasst wie die Holzfäller?»
    Tilman warf einen verstohlenen

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