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Die Tochter der Hexe

Die Tochter der Hexe

Titel: Die Tochter der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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vielleicht kein Recht, gegen Ehrverletzung zu klagen, aber gegen Mordversuch allemal.»
    Marthe-Marie richtete sich auf. Ihr Gesicht brannte, und alle Glieder schmerzten.
    «Ich soll zu den Richtern dieser Stadt? Die meine Mutter auf den Scheiterhaufen gebracht haben? Niemals!»
    Sie packte die alte Wirtin am Arm.
    «Es darf niemand etwas erfahren», flüsterte sie. «Vielleicht ist der Kerl ja auch längst tot, so wie der gebrüllt hat.»
    Ihr Blick fiel auf das helle Leinenkleid, das neben dem Bett über der Stuhllehne hing. Kragen und Mieder waren blutverschmiert.
    «Himmel, mein Umhang! Er liegt immer noch in dieser Hofeinfahrt. Wenn ihn jemand findet – er ist gewiss voller Blut. Ich muss ihn holen.»
    Sie wollte aufstehen, doch Mechtild hielt sie mit erstaunlicher Kraft fest.
    «Nichts da. Du gehst heute Abend nirgendwohin. Ich schicke Konrad.»
    Wenig später kam der Knecht mit leeren Händen zurück. Marthe-Marie und Mechtild sahen sich schweigend an.
    In dieser Nacht schlief Marthe-Marie so gut wie überhaupt nicht. Hatte dieser Teufel nachträglich den Umhang geholt? Den blutigen Umhang, auf den ihre Initialen gestickt waren? Hatte ihr unbekannter Retter ihn also doch nicht getötet? Jetzt erst fragte sie sich, warum der als Wegelagerer verkleidete Bursche bei dem Überfall so unverhofft zur Stelle war – er musste ihr ebenfalls gefolgt sein. Doch aus welchem Grund? Und was sollte die Frage nach dem Gold?
    Sie starrte zum Fenster, durch dessen Butzenscheiben bleich das Mondlicht drang. Sie hatte ein Leben in Wohlstand und ohne Sorgen verbracht, und jetzt war in kürzester Zeit alles aus den Fugen geraten. Und obendrein brachte sie auch noch Mechtild, die sich wie eine Mutter um sie sorgte, in Gefahr. Immer wieder redete sie sich ein, dass dieser Teufel tot sein müsse und alles gut werde.Doch die Ahnung, dass dieser Albtraum noch längst nicht zu Ende sei, legte sich wie ein eisernes Band um ihre Brust.

6
    Es kam schlimmer, als sie befürchtet hatten. Schon zwei Tage später machte ein so ungeheures Gerücht die Runde, dass es sogar den Klatsch über die Ausschweifungen der Fastnachtstage in den Hintergrund drängte. Die Fremde aus Konstanz, die im «Schneckenwirtshaus» Unterschlupf gefunden hatte, sei die Tochter einer Hexe, die von ihrer Mutter das Hexenhandwerk gelernt habe und des Nachts mit Hilfe ihres Teufelsbuhlen auf unbescholtene Bürger einsteche.
    Wohlmeinende Nachbarn hatten Mechtild die bösen Anschuldigungen hinterbracht. Sie schien völlig fassungslos, als sie Marthe-Marie, die seit dem Überfall das Haus nicht mehr verlassen hatte, davon erzählte.
    «Du bist in Gefahr, Marthe-Marie. Es fängt wieder an, wie vor vier Jahren.»
    «Bis jetzt sind das nur Gerüchte.» Marthe-Marie versuchte das Zittern ihrer Hände zu verbergen.
    «Nein, glaub mir – es fängt wieder an. Gestern haben sie zwei Frauen gefangen genommen, Anna Sprengerin und Elisabeth Dürlerin, die Frau meines Schneiders. Es heißt, sie hätten gleich bei der ersten Befragung gestanden, bei einem Hexentanz dabei gewesen zu sein. Und dich hätten sie gesehen, in Begleitung eines Pferdefüßigen.» Mechtild schlug die Hände vors Gesicht.
     
    In dieser Nacht rotteten sich vor dem Wirtshaus Betrunkene zusammen. «Schneckenwirtin, gib die Hexentochter heraus!», gröltensie. Immer wieder brüllten sie es, bis Mechtild aus dem Fenster stinkendes Essigwasser über sie ausgoss. Marthe-Marie stand auf, entzündete die Lampe in ihrer Kammer und begann, ihre Sachen zu packen. Die Wirtin überraschte sie dabei, als sie gerade die Geldbörse in der Hand hielt und ihre Ersparnisse zählte.
    «Um Himmels willen, was hast du vor?»
    «Ich muss fort von hier. Vielleicht bin ich in Gefahr, vielleicht auch nicht. Aber was sicher ist: Wenn ich nicht gehe, bringe ich auch dich in große Schwierigkeiten. Morgen wird der Pöbel wiederkommen und dir Fenster und Türen einschlagen.»
    Mechtilds Gesicht war aschfahl geworden. «Und wo willst du hin?»
    «Ich weiß nicht. Vielleicht zurück nach Konstanz. Oder nach Innsbruck. Mein Geld reicht für einen Maulesel, auf den kann ich Agnes festbinden und das Gepäck.»
    «Und dann willst du bis Konstanz laufen? Das ist der blanke Irrsinn, Marthe-Marie. Hör zu, ich habe einen Vetter in Betzenhausen, dorthin bringe ich euch morgen früh. Und wenn sich die Gerüchte hier in der Stadt gelegt haben, sehen wir weiter.»
    Marthe-Marie schüttelte den Kopf. «Ich will mich nicht verstecken müssen. Dann ziehe

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