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Die Tochter der Hexe

Die Tochter der Hexe

Titel: Die Tochter der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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eine Teufelsgestalt gegen ihren Leib. Sie war sich sicher: dieselbe, die sie zuvor am Tresen bedrängt hatte.
    «Hexentochter!» Dumpf quoll wieder das entsetzliche Wort unter der Maske hervor. Dann wich die schmächtige Gestalt zurück bis zur Mauer des Augustinerklosters, den plumpen Pferdefuß hinter sich herschleifend, die Teufelsfratze ihr zugewandt. Sie blieb stehen und starrte den Vermummten entgeistert an. Der Teufel schlug das Kreuzzeichen und machte dann mit den Fingern obszöne Gesten. Blinde Wut stieg in Marthe-Marie auf. Jetzt würde sie ihm die Maske vom Kopf reißen, würde sie endlich erfahren, wer sie bedrohte. Doch als sie sich durch die Menge zur Klostermauer gekämpft hatte, war der Teufel verschwunden. Sie sah sich um, entdeckte ihn schließlich bei der Oberen Linde, wo nur noch wenige Menschen unterwegs waren, da die meisten in Richtung Münsterplatz abbogen.
    Sie zog ihren Umhang enger um die Schultern. Jetzt, mit der Dämmerung, war die erste Frühlingswärme verflogen. Sie ging ein paar Schritte die fast leere Gasse entlang, dann blieb sie stehen. Die schwarze Gestalt dort vorne schien tatsächlich auf sie zu warten.
    Sie nahm allen Mut zusammen und marschierte auf ihren Verfolger zu. «Wer immer Ihr seid: Gebt Euch zu erkennen.»
    Kaum war sie bis auf ein paar Schritte an ihn herangekommen, verschwand der Schwarze mit humpelnden Bocksprüngen in Richtung Wolfshöhle. Du spielst Katz und Maus mit mir, dachte sie. Aber damit machst du mir keine Angst, du Dreckskerl.
    Die Hintere Wolfshöhle, ein schäbiges Viertel mit kleinen Gärten und lichtlosen Höfen an der Stadtmauer, gleich unterhalb des Burgbergs, lag wie ausgestorben. Hier brannten keine Fackeln, kein Lichtschimmer drang aus den Fenstern. Etwas in ihrem Inneren warnte Marthe-Marie, weiterzugehen. Doch dann hörte sie aus einem der offenen Hoftore ein leises Klagen und Wimmern, wie von einem Säugling. Sie hielt die Luft an und betrat die Hofeinfahrt. Man konnte kaum die Hand vor Augen sehen. Aus der Ferne schlugen dumpf die Trommeln.
    «Ist hier jemand?» Ihre Stimme hallte von den Steinwänden wider.
    Dann ging alles rasend schnell. Von schräg oben sprang wie eine riesige Fledermaus eine Gestalt über sie und riss sie zu Boden. Sie wehrte sich verzweifelt, wälzte sich mit ihrem Angreifer auf den harten Pflastersteinen, bis er sie auf den Rücken gezwungen hatte und einem Schraubstock gleich ihre Handgelenke umklammert hielt. Sie wollte schreien, doch ein heftiger Schlag in die Magengrube raubte ihr fast die Besinnung.
    «Wer seid Ihr?», stieß sie hervor.
    «Kennst du Hartmann Siferlin?» Die Frage kam keuchend, und der Atem ihres Angreifers verströmte einen fauligen Gestank. Dann lachte der Mann in der Teufelsmaske höhnisch und rieb seinen Kopf an ihren Brüsten. «Jetzt trägst du den Kopf nicht mehr so hoch!»
    Wieder rammte er ihr sein Knie in den Magen.
    «Wo ist das Gold?»
    «Das Gold?» Marthe-Marie rang nach Luft.
    Er presste ein Knie auf ihren Oberarm und schlug ihr mit der freien Hand ins Gesicht. Sie spürte, wie aus ihrem Mundwinkel warmes Blut den Hals herabrann.
    «In welchem Haus hast du deine Wurzeln? Sperr endlich dein Maul auf, Hexentochter! Sterben wirst du ohnehin, du und dein Balg!»
    Trotz der Dunkelheit sah sie das Messer, das er plötzlich in der Faust hielt. Nackte Todesangst erfüllte jede Faser ihres Körpers. Sie schloss die Augen. Agnes, meine Kleine, dachte sie noch, dann hörte sie ein Röcheln und spürte, wie ihre Arme frei wurden. Jemand hatte ihren Angreifer nach hinten gezogen. Mit letzter Kraft rollte sie sich zur Seite. Neben ihr, auf ihrem zerrissenen Umhang, wanden sich zwei Männer in verbissenem Kampf, sie hörte Stöhnen, dann einen unterdrückten Aufschrei: «Au diable! Espèce de merde!» und plötzlich ein markerschütterndes Brüllen.
    Danach herrschte Stille.
    «Schnell weg hier», zischte ihr unbekannter Retter. Er half ihr auf die Beine und zog sie hinaus auf die dunkle Gasse, immer weiter, bis sie eine belebte Straße erreichten. Jetzt erst ließ er sie los: Es war der Wegelagerer, das Gesicht noch immer hinter dem Tuch verborgen.
    Vorsichtig wischte er ihr das Blut vom Kinn.
    «Gott schütze dich», flüsterte er, dann war er in einer Nebengasse verschwunden.
     
    Mechtild saß mit sorgenvoller Miene neben Marthe-Marie und kühlte ihr mit einem feuchten Lappen die geschwollene Lippe.
    «Wenn die Fastnachtstage vorbei sind, begleite ich dich zum Gericht. Als Fremde hast du

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