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Die Tochter der Hexe

Die Tochter der Hexe

Titel: Die Tochter der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Ringe.
    «So ein Unsinn, Mann. Wir können jeden Groschen gebrauchen. Wie ist Euer Name?»
    «Agatha. Agatha Müllerin.»
    «Ich bin Maruschka aus der Walachei, genannt Marusch. Ihr könnt bei Diego mitfahren. Der hat genug Platz im Wagen und ein großes Herz für alleinstehende Frauen.»
    Die ganze Zeit schon hatte Marthe-Marie die Blicke im Nacken gespürt. Als sie sich jetzt umsah, stand ein nicht allzu großer Mann vor ihr, kräftig und dabei mit schmalen Hüften. Galant zog er seinen Federhut und verbeugte sich fast bis zur Erde. Es war der Landsknecht, der die Vorstellungen angekündigt hatte. Jetzt trug er statt der geschlitzten, schreiend bunten Pluderhosen enge Beinkleider aus Leder mit Stulpenstiefeln und ein weißes Hemd. Seine schulterlangen dunklen Locken und der gestutzte Vollbart waren von einzelnen grauen Haaren wie von Silberfäden durchwirkt, die smaragdgrünen Augen sahen ihr ohne Umschweife geradewegs ins Herz. «Gestatten   – Don Diego Ramirez y Frirez Bagatello Hastalamista Rastalavista de la Bonaventura y Andalucía. In ganzer Welt berühmter Comediante und Ilusionista.» Während er diese Namenskaskade mit großer Geste und rollendem R über Marthe-Marie ergehen ließ, gruben sich die Lachfältchen tiefer in seine Augenwinkel. Er hat eine Stimme wie schwarzer Samt, dachte sie und wandte sich abrupt ab.
    «Was schulde ich Euch bis Offenburg?», fragte sie die rothaarige Frau und zog ihre Geldkatze unter dem Rock hervor.
    Marusch warf einen kurzen, fachmännischen Blick auf den Beutel aus feinstem Chagrinleder und sagte: «Immer langsam mit den jungen Pferden, das klären wir später. Ich nehme an, Ihr müsst noch Euer Gepäck holen.»
    Marthe-Marie nickte. «Da ist noch etwas – meine kleine Tochter soll auch mitkommen.» Unruhig sah sie hinüber zu den Scharwächtern, die sich auf ihrer Runde wieder dem Kaufhaus näherten.
    Marusch lachte laut auf. «Vielleicht auch noch eine Großmutter oder ein Schwippschwager? Bringt nur all Eure Kinder mit, eines mehr oder weniger fällt bei uns nicht auf. Aber beeilt Euch, wir sind bald so weit, und warten können wir nicht.»
    Die Angelusglocke des Münsters hatte noch nicht geschlagen, da war Marthe-Marie wieder zurück. Hastig bezahlte sie den Träger ihres Gepäcks, sah sich argwöhnisch um und ließ sich von Don Diego auf den Wagen helfen. Die beiden struppigen kleinen Pferde waren bereits angespannt.
    «Ich haben gehört etwas von Tochter?»
    «Sie wartet am Stadttor.»
    Don Diego sah sie prüfend an. Dann winkte er sie ins Wageninnere unter die Plane. Bis auf einen schmalen Gang war alles vollgestellt mit Requisiten und Kisten.
    «
Un momento
– ah, hier ist es.» Er reichte ihr ein gelb-weiß gestreiftes Kleid, das wie Seide glänzte, und einen riesigen albernen Hut, ebenfalls gelb-weiß gestreift, mit Pfauenfedern.
    «Bitte anziehen.»
    Sie schüttelte entschieden den Kopf. «Soll ich mich zur Närrin machen?»
    «Genau. Passt besser zu fahrende Leut. Torwächter würden nicht verstehen, dass ehrbare Witwe fährt mit Gauklervolk, und dann Misstrauen.»
    Sie musste ihm Recht geben. Don Diego lächelte sie ermunternd an.
    «Würdet Ihr Euch bitte wegdrehen?»
    «
O perdón!
Habe vergessen, Ihr eine ehrbare Dame sein.»
    Er schlüpfte hinaus auf den Kutschbock, und Marthe-Marie zog das lächerliche Kostüm an. Da erscholl von draußen ein durchdringendes «Avanti!». Mit einem Ruck fuhr der Wagen an.
    Durch einen Spalt sah sie hinaus. In einer langen Kolonne bog der Tross auf die Große Gasse in Richtung Christoffelstor. Sie schloss die Augen, als sie durch das Tor in die nördliche Vorstadt fuhren, und versuchte nicht daran zu denken, dass hier die Folterkammer lag, in der ihre Mutter bis zur Besinnungslosigkeit gequält worden war.
    Während sie die Neuburgvorstadt durchquerten, bereitete sie im hinteren Teil des Wagens eine Bettstatt für Agnes vor. Hoffentlich geht alles gut, dachte sie, als sie sich über die hintere Brüstung lehnte und hinausspähte. Sie hatte mit Mechtild vereinbart, getrennte Wege zu gehen, um nicht aufzufallen. Die Wirtin sollte, ebenfalls als Witwe hinter einem Schleier verborgen, mit Agnes kurz vor dem Mönchstor warten. Don Diegos Wagen fuhr an zweiter Stelle, und so musste alles ganz schnell gehen, wollten sie kein Aufsehen bei den Torwächtern erregen.
    Da entdeckte sie Mechtild mit Agnes auf dem Arm. Sie winkte ihr zu. Ihr Herz schlug schneller, als Mechtild dem Kind die Decke über den Kopf zog und zum Heck

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