Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tochter der Hexe

Die Tochter der Hexe

Titel: Die Tochter der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
Vom Netzwerk:
Kraft eines Bären, so dochden Mut eines Löwen bewiesen hatte. Sie fasste sich ein Herz und setzte sich neben ihn.
    «Jetzt wirst du bald nach Straßburg zurückkehren.»
    «Ja.»
    «Freust du dich?»
    Er zuckte die Schultern.
    «Ich verdanke dir mein Leben, Jonas, auch wenn du nicht darüber reden magst. Ich hoffe, dass ich das eines Tages gutmachen kann. Zumindest würde ich es gern.»
    «Es gibt nichts gutzumachen», entgegnete er leise. «Ich habe dich die ganzen Wochen angelogen. Das Einzige, was stimmt, ist, dass Magdalena meine Braut ist. Das Beste wäre, wir würden uns nie wieder sehen.»
    Bevor sie diese harten Worte richtig begriffen hatte, hörten sie einen Tumult in der Dunkelheit. Marthe-Marie erkannte Mettels erregte Stimme, dann ein klatschendes Geräusch wie eine Ohrfeige. Kurz darauf erschien sie mit Isabell, der Freundin von Maruschs ältester Tochter Antonia. Mettel hielt das Mädchen fest am Arm gepackt und baute sich vor Leonhard Sonntag auf.
    «Diese mannstolle Metze, ich habe es geahnt.»
    Isabells linke Wange war gerötet, ihre Lippen trotzig zusammengekniffen.
    «Du bist der Prinzipal. Sag mir, was ich mit ihr machen soll. Sie hat Maximus an den Hosenlatz gegrapscht.»
    Hilflos blickte Sonntag zu seiner Gefährtin. «Nun ja, ich denke, in so einem Fall hat Marusch zu entscheiden.»
    Marusch holte aus und verpasste dem Mädchen eine kräftige Maulschelle auf die andere Wange.
    «Damit sollte es gut sein. Aber eins sage ich dir: Wenn du dich nochmal an einen unserer Männer heranmachst, verschwindest du auf Nimmerwiedersehen. Und jetzt ab in deinen Wagen.»
    Marthe-Marie sah der Kleinen nach. Isabell zählte dreizehn,höchstens vierzehn Jahre. Sie hatte zwar schon Brüste und schwenkte bei jedem Schritt ihre Hüfte wie eine Kurtisane, aber im Grunde war sie noch ein halbes Kind.
    «Zu wem gehört sie eigentlich?», fragte sie Marusch.
    «Das ist es ja. Sie ist uns zugelaufen wie ein herrenloses Hündchen, in Basel, wenn ich mich recht erinnere. Eine Häuslerstocher aus dem Schwarzwald, die es in ihrer armseligen Hütte nicht mehr ausgehalten hat. Eine Zeit lang verdingte sie sich in der Stadt als Dienstmädchen, ist dann wohl vom Sohn ihres Dienstherrn belästigt worden oder noch mehr, so genau weiß das niemand. Jedenfalls hatte man sie vor die Tür gesetzt, und sie musste sich mit Betteln durchschlagen. Vielleicht auch noch mit anderen Dingen.»
    Sie sah hinüber zu ihren Kindern. «Was mich mehr beunruhigt: Neuerdings ist sie Antonias beste Freundin, und Antonia wird immer bockiger und vorlauter. Wirft mit Ausdrücken um sich wie eine Straßendirne.»
    An diesem Abend mochte niemand lange sitzen bleiben. Marusch und Marthe-Marie machten den Anfang.
    «Überleg dir bis morgen, ob ich nicht doch mitkommen soll. Ich könnte Lisbeth mitnehmen, dann wird es Agnes nicht langweilig.»
    Doch Marthe-Marie hatte sich entschieden. Der Gedanke, dass sie mit Marusch, deren Äußeres so offensichtlich eine Frau aus dem fahrenden Volk verriet, auf ihren unbekannten Vater treffen sollte, schreckte sie. Zugleich schämte sie sich für die Dünkelhaftigkeit dieses Gedankens. Sie fiel in einen unruhigen Schlaf, aus dem sie jedes Geräusch hochfahren ließ.
    Am Morgen erwachte sie vor Sonnenaufgang. Dichter Nebel hing über den Uferwiesen, als sie aus dem Wagen kletterte. Im Lager war alles still. Verschwommen sah sie die Umrisse der Weiden am Fluss, während sie barfuß durch das nasse Gras tappte. Nachdemsie sich erleichtert hatte, ging sie zu einem kleinen Bach, der hier in die Kinzig mündete, und wusch sich die Hände.
    «Hexentochter!»
    Sie schrie auf, doch da hatte sich schon eine schwielige Hand auf ihren Mund gepresst. Marthe-Marie schnappte nach Luft, wehrte sich verzweifelt gegen den Angreifer, der sie von hinten umklammert hielt, roch seinen fauligen Atem.
    Er trat ihr in die Kniekehlen, und sie kippte mit einem erstickten Schmerzenslaut ins Gras. Alles geschah, wie sie es schon einmal erlebt hatte: Sie lag auf dem Rücken zu Boden gepresst, der Unbekannte stöhnend auf ihr. Doch jetzt, im Dämmerlicht des anbrechenden Tages, sah sie ihm zum ersten Mal mitten ins Gesicht. Ein junges Gesicht war es, mit eingefallenen Wangen, rot entzündeten Augen und einer wulstigen Narbe quer über der Oberlippe.
    «Ja, glotz mich nur an», flüsterte er. «Mein Gesicht gefällt dir wohl nicht? Es war eine Hure wie du, die mir die Lippe zerschnitten hat.»
    Blitzschnell stopfte er ihr einen schmutzigen Lumpen in

Weitere Kostenlose Bücher