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Die Tochter der Hexe

Die Tochter der Hexe

Titel: Die Tochter der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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hinaufhelfen.

10
    Du kannst mir nicht davonlaufen, Mangoltin, ein drittes Mal entkommst du mir nicht. Glaube ja nicht, dass es Feigheit war, wenn ich dich nicht schon in Konstanz getötet habe, gleich nach Siferlins Tod. Wulfhart, der Henkerssohn, ist nicht feige, nur vorsichtig, sehr vorsichtig.
    Du hast damals nicht einmal bemerkt, wie ich dein Elternhaus tagelang beobachtet habe. Aber alles war voller Soldaten, dein falscher Bruder, dein falscher Vater, dein Mann. Hätte ich mich da in Gefahr begeben sollen? O nein, die Klugheit ist der beste General, das müsstest du doch von deinem Soldatenvater wissen. Und ich hatte Recht damit, nach Freiburg zurückzukehren und zu warten, bis deine Blutsbande dich zurücklocken an die Quelle. Wie geschickt von Meister Siferlin, dich mit dem Bildnis aus dem Hexenerbe aus deiner Ruhe aufzuscheuchen. Aber in mir hat der Meister einen würdigen Schüler und Nachfolger gefunden. Beinahe hätte ich dich auch schon erwischt, im Narrentrubel, wäre da nicht dieser gottverdammte Schelm dazwischengeraten, der mir das Bein zerstochen hat. Aber ich bin zäh, und nun, mit meinem Hinken, gleiche ich dem Meister noch mehr.
    Jetzt glaubst du wohl, du könntest deinem Schicksal entrinnen, indem du mit dieser Teufels- und Zigeunerbrut durch die Welt ziehst? Aber warte nur. Auch wenn dein hübsches Gesichtchen jedes Mannsbild so verwirrt, dass es sich gleich zu deinem Beschützer aufspielt – es wird dir nichts nützen.
    Nicht umsonst habe ich mich selber Wulfhart genannt, hart wie der Wolf. Und nicht Gottlieb, wie mein Vater mich einst taufen ließ, dieser
Schwächling. Ein schöner Henker war das, der die Teufelsbuhlen und Hexen, statt sie bei lebendigem Leib zu verbrennen, im Schutz des Qualms gnädig erwürgte! Und der, solange sie noch lebten, die Glieder der Gefolterten mit Heilsalben bestrich, anstatt die Finger und die Knochen nach ihrem Tod an Quacksalber und Apotheker zu verkaufen oder den Gaffern gegen einen Obolus zu erlauben, ihre Tücher in das Blut der Enthaupteten zu tauchen. Damit hätte er ein rechtes Geschäft machen können, mein edler Herr Vater: hier mal ein Quäntchen Hirn gegen Tollwut, dort ein Stückchen Haut gegen Gicht oder eine halbe Unze frischen Blutes gegen die Fallsucht. Aber nein – nicht das kleinste Knöchelchen für die begehrten Glücksbringer hat er zu Geld zu machen verstanden.
    Doch nun bin ich der Henker der Stadt, und schon jetzt habe ich einen ganz anderen Ruf als mein schwächlicher Vater. Ich werde es ihnen beweisen, was in mir steckt. Allen! Von wegen, ich hätte weder genügend Körperkraft noch Augenmaß und Geschick, um den Kopf mit einem Hieb vom Hals zu trennen. Da hat er geglotzt, der Alte, wie die Leute gleich bei meiner ersten Enthauptung in Beifall ausbrachen.
    Und bei der Tortur geht es bei mir Schlag auf Schlag, dabei wohl durchdacht vom ersten zarten Schmerzempfinden bis zum machtvollen Höhepunkt, der in den Wahnsinn führt. Ihr Weiber gesteht doch immer, wenn man euch nur hart genug anpackt. Weil ihr nämlich schwach seid, hörst du, Mangoltin? Schwachen Leibes, schwachen Geistes und schwachen Glaubens. So hat auch deine Mutter schließlich alles gestanden. Gezittert, gebrüllt und gekotzt hat sie am Ende. Ihre ganze Schönheit war dahin.
    Dir steht das noch bevor.
    Und ich werde meinen Lohn erhalten. Nicht nur das Gold steht mir zu, sondern auch dein Leib. Ich werde ihn mir nehmen, wie ich damals deine Mutter genommen habe in ihren letzten Stunden, als ihre Glieder schon zerschmettert am Boden des Folterturms lagen. Und deine Schreie werden meine Wonne nur noch steigern. Mit meiner
Manneskraft nehme ich es alle Mal gegen das Teuflische in deinem Leib auf, ich fürchte mich nicht vor dem Satan und nicht vor deiner heißen Brunst, die du mit jeder Pore ausströmst.
    Und wenn ich genug von dir habe, werde ich dich und dein Balg vernichten.

11
    Marthe-Marie blickte nach Norden, wo sich im fahlen Abendlicht die Wehr- und Wachtürme der freien Reichsstadt Offenburg abzeichneten. Morgen würde die Truppe dort mit ihrem Gastspiel beginnen, morgen würde sie durch diese Stadt gehen und herausfinden, wo ihr Vater wohnte. Und sich dann von den Gauklern verabschieden.
    Es war Ende April. Viel länger, als sie je gedacht hätte, war sie nun schon mit den Fahrenden unterwegs. Vor allem von Marusch würde ihr der Abschied schwer fallen, aber auch von Diego und Jonas, wenn sie ehrlich zu sich selbst war. Selbst von Leonhard Sonntag, von der alten

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