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Die Tochter der Hexe

Die Tochter der Hexe

Titel: Die Tochter der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Es ist nicht so, wie du denkst.» Sie hörte seinen keuchenden Atem hinter sich. «Er wollte dich schützen.» Jetzt hatte er sie eingeholt und hielt sie am Arm fest. «Textor wollte dich schützen, als er merkte, in welche Gefahr du geraten bist. Ich glaube, er wollte gutmachen, was er bei deiner Mutter versäumt hat.»
    In Marthe-Maries Ohren begann es zu rauschen.
    «Gutmachen?», schrie sie. «Wieder gutmachen, dass sie meiner Mutter die Glieder zerschmettert und ihr das Fleisch mit glühendem Eisen verbrannt haben? Dass man ihr vor einer johlenden Menschenmenge den Kopf abgeschlagen und ihren Leib auf den Scheiterhaufen geworfen hat? Das will dein sauberer Schwiegervater gutmachen?»
    Sie schüttelte ihn ab. «Fass mich nicht an, du gehörst zu dieser Mörderbrut wie der Wurm zum Kadaver. Dein Dr.   Textor und Hartmann Siferlin haben meine Mutter umgebracht.»
    «Jetzt hör doch zu – vielleicht war damals alles ganz anders. Vielleicht hat Textor es verhindern wollen, und es war vergebens. Ich kenne ihn doch. Er kann kein Mörder sein.»
    Sie starrte ihn mit aufgerissenen Augen an. Ihre Arme und Beine waren eiskalt, aber in ihrem Inneren glühte es.
    «Marthe-Marie! Sieh mich nicht so an. Du weißt doch, wie es um mich steht. Ich hab dich lieb.»
    «Ha! Gib Acht, was du sagst. Ich bin eine Hexentochter, meine Mutter hat mich alles gelehrt. Ich kann Hagel sieden und auf gesalbten Stecken durch die Lüfte fliegen. Halt dich fern von mir.»
    Die Tränen strömten ihr über das Gesicht.
    «Geh weg, Jonas Marx. Verschwinde! Ich will dich nie wieder sehen.»
     
    Sie näherte sich der Stadtmauer vom Mühlbach her, vorbei an stattlichen Öl- und Papiermühlen, stillen Fischweihern und Waschplätzen, wo kräftige Weiber mit nackten Oberarmen ihrer harten Arbeit nachgingen. Sie spürte wohl, wie aller Blicke an ihr klebten. Dass eine Frau in vornehmem Gewand allein mit einem kleinen Kind an der Hand durch die Wiesen marschierte, sah man nicht oft. Doch Marthe-Marie war das mehr als gleichgültig. Sie fühlte sich leer und erschöpft. Ein zweites Mal war sie um Haaresbreite dem Tod entronnen, ein zweites Mal von Jonas gerettet worden. Aber das, was sie über ihn erfahren hatte, traf sie beinahe härter als der heimtückische Überfall dieses Irren. Der war tot, der konnte ihr nichts mehr anhaben, während sie nun ihr Leben lang in der Schuld von Jonas Marx stehen würde, dessen Familienbande untrennbar mit dem grausamen Ende ihrer Mutter verknüpft waren. Hätte er sie doch nur ihrem Schicksal überlassen, damals schon in Freiburg.
    Es war später Morgen, sie hatte das Lager der Gaukler mitten im Aufbruch verlassen. Ihre wenigen Besitztümer lagen gepackt in der Reisekiste, die sie im Laufe des Tages holen würde, wenn die Truppe in der Stadt war. Auf diese Weise hatte sie den Abschied von Marusch noch einmal aufschieben können.
    Als sie das Kinzigtor passierte, würdigte der Torwächter sie keines Blickes. Sie war überrascht von der Größe der Freien Reichsstadt Offenburg und der Vielzahl der prachtvollen Bauten, die die breite Straße vor ihr säumten. Zwischen den Marktständen und Lauben wimmelte es von Menschen, Karren und Fuhrwerken. Die Straße war ordentlich gepflastert, keine Löcher und Schlammrinnen, keine herrenlosen Hunde und umherstreunenden Schweine störten diese wohlgefällige Ansicht.
    Linker Hand entdeckte sie ein stattliches Gasthaus. «Sonne» prangte in vergoldeten Lettern über dem Eingang. Davor wartete ein vornehmer Zweispänner. Hier würde sie sicher Auskunft erhalten.
    Ein Bär von einem Mann stand hinter dem Tresen und spülte Krüge aus. Marthe-Marie grüßte höflich und fragte ihn nach dem Zunfthaus der Schlosser und Schmiede.
    «Leicht zu finden.» Er zwinkerte Agnes freundlich zu. «Am besten geht Ihr zurück zum Kinzigtor, dort links in die Gerbergasse und gleich wieder die erste Gasse rechts. Das Zunfthaus könnt Ihr nicht verfehlen, es ist das größte Haus im Quartier. Ihr seid von auswärts, nicht wahr?» Neugierig musterte er erst Marthe-Marias dunkelgrünes Seidenkleid und dann Agnes in ihren alten Holzpantinen und dem zerschlissenen Kittel. Da ihre Kleidchen aus Konstanz längst zu klein geworden waren, trug sie die Sachen der anderen Kinder auf. Marthe-Marie stieg die Röte ins Gesicht, als sie den Blick des Wirts bemerkte. Hätte sie sich doch nur rechtzeitig um ein neues Kleid für Agnes gekümmert. Was mochte der Mann von ihr denken?
    Sie bedankte sich hastig und wollte

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