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Die Tochter der Hexe

Die Tochter der Hexe

Titel: Die Tochter der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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dieser undurchschaubaren Welt wusste. In nichts unterschied sie sich vom Volk der Fahrenden und Gaukler. Sie war eine Heimatlose.

12
    Schloss Ortenberg, die Fahne der habsburgischen Landvögte hoch über den Zinnen, grüßte linker Hand. Majestätisch wachte es auf seinem Felssporn über das Kinzigtal, das sich hier zwischen anmutigen Rebhängen und blühenden Obstbäumen mit dem Rheintal vereinigte. Noch immer führte der Fluss hohes Wasser, schlängelte sich in breiten Schleifen Richtung Rhein, und die Dörfer, Hofstättenund Wege schmiegten sich in respektvoller Entfernung an die Hänge der Vorberge.
    Träge bewegte sich der Tross der Gaukler talaufwärts, in Richtung Gebirge, auf ihr nächstes großes Ziel zu: Friedrichs Freudenstadt. Marthe-Marie saß neben Marusch auf dem Kutschbock, als sei nichts geschehen. Sie hörte das Schnauben der Pferde und das Ächzen der Räder, spürte die Schläge des Fuhrwerks, wenn es in ein Schlagloch geriet, sah, wenn sie sich umwandte, die vertrauten Gesichter Diegos und Sonntags. Die Mienen der beiden Männer waren düster, offensichtlich hatten sie sich wieder einmal gezankt. Alles war wie immer, außer dass Jonas spurlos verschwunden war.
    Marusch nahm die Zügel in eine Hand und legte den Arm um Marthe-Marie. «Ich kann mir denken, wie dir zumute ist. Du hattest gehofft, am Ziel deiner Reise zu sein, und jetzt bist du enttäuscht. Aber glaub mir, wir werden einen herrlichen Sommer erleben, das spüre ich in meinen alten Knochen. Und für mich ist es das schönste Geschenk, dass du wieder bei uns bist.»
    Marthe-Marie lächelte schwach, aber sie konnte die Freude nicht teilen. Nach allem, was ihr der alte Schulmeister über Benedikt Hofer erzählt hatte, war das Verlangen, diesen Mann kennen zu lernen, nur noch heftiger geworden, und umso schmerzlicher traf sie die Gewissheit, ihm wohl niemals zu begegnen. Sie hatte lange mit sich gerungen, ob sie nach Konstanz oder Innsbruck zurückkehren sollte, hatte den Schritt, ihr Gepäck bei den Gauklern abzuholen, hinausgezögert und sich schließlich für die Nacht im Schlafsaal des Gasthofs einquartiert, wo sie kaum ein Auge zugemacht hatte, wach gehalten von einer quengelnden Agnes, von schnarchenden Schlafgenossen und ihren eigenen quälenden Gedanken.
    Am Morgen war sie dann hinüber zum Weinmarkt gegangen, wo sich die Gaukler für ihren ersten Auftritt präparierten, und musste erfahren, dass Jonas kurz nach dem Streit mit ihr ohne Abschieddavongeritten war. Der Prinzipal hatte Himmel und Hölle verflucht, da nun die erfolgreiche Jonglage wegfallen musste. Und ohne richtige Einstimmung der Zuschauer, das wusste er aus Erfahrung, saßen den Leuten die Pfennige wie fest geklebt im Hosensack. «Tut mir Leid, Diego, aber dann musst du eben wieder die Affennummer bringen.» Diego, den Jonas’ Abschied auffallend wenig zu berühren schien, war in Harnisch geraten. Lieber würde er sich vierteilen lassen, als diese lächerliche Nummer noch ein einziges Mal aufzuführen, solle sich doch Leonhard selbst zum Affen machen, er jedenfalls werde sich nun endgültig eine neue Truppe suchen. Am Ende hatte er dann doch klein beigegeben, sich in das ungeliebte Kostüm gezwängt und das neugierig zusammenströmende Publikum wie eh und je begeistert. Dafür blieb er während der nächsten Tage missmutig und schweigsam.
    Marthe-Marie hatte diese Affennummer zuvor ein einziges Mal gesehen. Diego trug dazu als Beinkleider ein enges rot-gelbes Mi-Parti mit ellenlangen gelben und roten Schnabelschuhen, dazu eine ebenfalls zweifarbige Schecke, deren enge Ärmel in Stoffbahnen endeten, die fast bis zum Boden herabhingen. In diesem Aufzug mischte er sich, Pantaleons Äffchen im Schlepptau, unbemerkt unter die Zuschauer, die den Ankündigungen des Prinzipals lauschten. Dann stellte er sich hinter sein Opfer, äffte dessen Haltung nach, jede Geste und jede Regung des Gesichts, vollkommen lautlos und mit einer Genauigkeit, die nicht nur Marthe-Marie verblüffte. Die beiden Äffchen hinter ihm machten ihrerseits Faxen. Es dauerte erfahrungsgemäß einige Augenblicke, bis die Umstehenden dieses Treiben bemerkten und zu kichern begannen, doch bevor der Gefoppte sich umdrehte, war Diego bereits unterwegs zu einem neuen Opfer. Mit Vorliebe nahm er jene vornehmen Bürger aufs Korn, die eiligen Schrittes und mit verächtlicher Miene an der Menschenansammlung vorbeiwollten. Damit erzielte er jedes Mal die größten Lacherfolge.
    Der Tross näherte sich einem

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