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Die Tochter der Hexe

Die Tochter der Hexe

Titel: Die Tochter der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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unmerklich.
    «Ich konnte dich nicht vergessen.»
    Nicht vergessen, nicht vergessen – was redete er da? Das Blut pochte ihr in den Schläfen, ihr Kopf begann zu schmerzen wie nach einer durchzechten Nacht. Marthe-Marie holte Luft.
    «Woher wusstest du, dass ich hier bin und nicht in Offenburg?»
    «Genau das habe ich ja geglaubt – dass du in Offenburg wärest. Nachdem ich nach Freiburg zurückgekehrt bin, habe ich jeden Tagdaran gedacht, dass du wohl jetzt bei deinem Vater lebst.» Seine Stimme wurde ruhiger. «Jeden Tag habe ich gedacht, dass du ganz in meiner Nähe bist, mit einem guten Pferd nur einen Tagesritt entfernt. Das hat mich schier verrückt gemacht.»
    «Und dann bist du eines Tages nach Offenburg geritten.»
    Er nickte. «Es war nicht schwer herauszufinden, dass Benedikt Hofer vor langer Zeit die Stadt mit unbekanntem Ziel verlassen hatte.» Das plötzliche Lächeln ließ ihn wieder jungenhaft erscheinen. «Du hättest diesen Zunftmeister sehen sollen, bei dem ich wegen deines Vaters vorsprach. Böcklin hieß er, glaube ich.»
    «Stöcklin.»
    «Böcklin, Stöcklin – ganz gleich. Er geriet völlig außer Fassung. Ich sei nun schon der vierte, der nach Hofer frage. Erst ein fremdes Frauenzimmer, dann der alte Schulmeister, ein reisender Geselle und jetzt ich. Nun habe er genug, er würde Nachforschungen anstellen, irgendwelchen Dreck am Stecken müsse dieser Hofer ja haben. Vielleicht solltest du diesen Meister Stocksteif ja in einem Jahr noch einmal nach deinem Vater fragen.»
    Er machte eine unsichere Bewegung in ihre Richtung, als ob er sie berühren wolle, doch stattdessen trat er einen Schritt zurück.
    «Vielleicht.» Marthe-Marie schluckte. «Wissen die anderen, dass du hier bist?»
    «Nein. Das heißt – Diego wird es wissen. Ich habe ihn gestern Morgen zwischen den Marktständen gesehen.»
    «Du bist schon länger hier?»
    «Seit vorgestern Abend. Als ich in Offenburg erfuhr, dass Benedikt Hofer nicht mehr dort lebt, bin ich gleich weitergeritten nach Freudenstadt. Ich wusste ja, dass der Prinzipal hier sein großes Gastspiel geben wollte. Ich –» Er stockte.
    Marthe-Maries Gedanken überschlugen sich. Kein Zweifel, er war nur ihretwegen gekommen. Doch was erwartete er von ihr? Dass sie ihre Sachen packte und mit ihm ging?
    Da er schwieg, lag es an ihr, die entscheidende Frage zu stellen.
    «Was hast du vor?»
    Jonas atmete hörbar ein. «Komm mit mir.»
    Sie sah hinüber zum Bühnenwagen. Quirin mit seinen Messern war schon an der Reihe. Die Vorstellung ging ihrem Ende entgegen.
    «Bitte, Marthe-Marie, sag etwas. Lass mich nicht hier stehen wie einen Trottel.»
    «Ich weiß nicht, was ich sagen soll, Jonas – ich weiß überhaupt nichts mehr.» Sie schüttelte den Kopf. «Ich muss zu den anderen.»
    Sie trat hinaus in das gleißende Nachmittagslicht. Trotz der sommerlichen Hitze war ihr kalt.
    «Ich bleibe so lange in Freudenstadt», rief Jonas ihr nach, «bis du mir geantwortet hast.»
    Quirin spie eben Flammen und Rauch in die Luft, während der Prinzipal hinter einer Trennwand darauf wartete, dem Publikum seine Dankes- und Abschlussworte vorzutragen. Die anderen waren schon damit beschäftigt, die Requisiten und Kostüme zusammenzuräumen.
    «Und? Wie war ich?» Mit schlitzohrigem Grinsen kam ihr Marusch entgegen. «Leo hat mir zwar heftigst den Kopf gewaschen, aber er wird mich nicht hindern, weiterzumachen. Kruzifix, du bist ja ganz bleich. War mein Auftritt so miserabel?» Das Lächeln schwand aus ihrem Gesicht.
    «Ich habe Jonas getroffen.»
     
    Am Abend geschah, was Marthe-Marie niemals erwartet hätte. Sie waren mitten beim Essen, als Jonas den Hof des «Goldenen Bärlein» betrat.
    «Hatte ich doch recht gesehen.» Diego ließ den Löffel sinken. «Unser Goldjunge kehrt zurück.»
    Wie Jonas dort stand, die Blicke aller auf sich gerichtet, verlegen und dennoch aufrecht, bewunderte Marthe-Marie einmal mehr seinen Mut.
    Sonntag wischte sich den Bratensaft vom Kinn und stand auf. Theatralisch ließ er einige Sekunden verstreichen, was Jonas’ Befangenheit noch steigerte, dann sagte er in seinem dröhnenden Bass:
    «So sieht man sich also wieder, Jonas Marx. Hätte ich nicht gedacht.»
    «Es tut mir herzlich Leid, dass ich damals einfach verschwunden bin.»
    Der Prinzipal winkte ab. «Verjährt. Zugegeben, ich mag solche Überraschungen nicht, vor allem wenn unsere Truppe davon betroffen ist. Aber schließlich bist auch du nicht unersetzlich, wie du vielleicht schon gesehen

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