Die Tochter der Hexe
und Person sechs Pfennige ab, worin immerhin ein Becher Bier am Abend inbegriffen war.
Immer wieder kam es zu nächtlichem Händel, wenn der eine oder andere Gast betrunken war oder behauptete, bestohlen worden zu sein. Den Wirt kümmerte das wenig. Oft genug tat er mit beim Zechen oder Würfeln zu nächtlicher Stunde, auch wenn ihn das bei den Kontrollen durch die Stadtwache regelmäßig Strafschillinge kostete. Einmal versuchte einer der Landsknechte mit den Spielleuten Streit vom Zaun zu brechen. Anlass waren Pantaleons Affen.
«Sind wir hier bei den Mohren, dass wir unser Schlaflager mitverlausten Affen teilen müssen?» Beifall heischend sah sich der vierschrötige Mann um.
«Genau! Raus mit den Viechern», riefen seine Schlafgenossen und lachten, als der Landsknecht einen der Affen am Genick packte und in die Höhe hob.
«Verlaust bist höchstens du.» Pantaleon ging mit geballten Fäusten auf ihn zu. «Ich warne dich, lass sofort das Tier los.»
«Oho! Der große Tierbändiger will mir drohen. Was für ein Spaß! Gib Acht, was ich gleich mache.»
Er trug das Äffchen zum einzigen Fenster in der Schlafstube, dessen Bespannung aus ölgetränktem Papier nur noch aus Fetzen bestand, und öffnete mit der freien Hand die Flügel.
Blitzschnell war Maximus bei ihm und versetzte ihm eine herzhafte Maulschelle. Der Affe kam frei und verkroch sich hinter Pantaleons Strohsack.
«Elendes Diebsgesindel!» Der Landsknecht rieb sich die Wange. «Los, zeigen wir diesen Landstreichern, wer hier das Sagen hat.»
Er zog sein Messer und stürzte sich mit einigen seiner Kumpane auf Maximus. Da fuhr Quirin dazwischen. Mit einer schnellen Drehbewegung entwand er dem anderen das Messer, dann verprügelten er und Maximus die Männer. Sie hatten keinerlei Schwierigkeiten, es zu zweit mit fünf kräftigen Kerlen aufzunehmen, und so war die Schlägerei nur von kurzer Dauer. Von diesem Moment an hielten sich die anderen in respektvoller Entfernung von den Gauklern. Auf Sonntags Geheiß hin wurden die Äffchen nachts an eine Kette gelegt, auf einer Strohschütte neben Pantaleons Lager, um weiteren Ärger zu vermeiden.
Die ersten Nächte hatte Marthe-Marie kaum ein Auge zugetan, so laut war es gewöhnlich bis weit nach Mitternacht. Hinzu kamen die Enge und die stickige Luft. Doch von dem Tag an, als sie Arbeit gefunden hatte, überwältigte sie die Erschöpfung, kaum hatte sie sich auf ihrem Lager ausgestreckt.
Horb war nicht nur eine Stadt der Kirchen und Klöster, mit zahlreichen Schaffnereien und Pfleghöfen, hier blühten auch Handwerk und Handel. Vor allem die Tuchmacher hatten sich weit über das Schwabenland hinaus einen Namen gemacht.
Die Männer fanden, bis auf Ambrosius, recht schnell Arbeit als Last- und Sackträger, mal bei den Bäckern und Metzgern, mal bei den Müllern unten am Fluss. Der Wundarzt bot seine Dienste vergeblich bei Badern und Barbieren an und ging schließlich den Sauschneidern beim Kastrieren zur Hand.
«Da bleibt er wenigstens in seinem Gewerbe», hatte Diego gespottet. Doch nach nur zwei Tagen hatte sich Ambrosius durch seine Besserwisserei mit dem Meister überworfen und musste sich als Gassenkehrer verdingen, was ihm jeden Morgen aufs Neue die Schamröte ins Gesicht trieb.
Antonia und Isabell, als Älteste der Kinder, erhielten den Auftrag, auf Agnes und Lisbeth aufzupassen. «So kommen die beiden wenigstens nicht auf dumme Gedanken», meinte Marusch zu Marthe-Marie. Die beiden Buben Tilman und Titus hatten keine Schwierigkeit, jeden Tag aufs Neue zwei, drei Pfennige mit Botengängen zu verdienen. Das große Los schien Clara, Maruschs Mittlere, gezogen zu haben: Jeden Morgen trieb sie ein halbes Dutzend Ziegen durch das Gaistor über den Neckar, um sie in den städtischen Geißgärten weiden zu lassen. Geld bekam sie dafür nicht, dafür mal eine Schürze voll Äpfel und Birnen, mal Brot oder Eier. Sie lieferte alles bei Marusch ab, die diese Kostbarkeiten alle paar Tage gerecht verteilte.
Von den Frauen fand als erstes Mettel ein Auskommen. Sie verdingte sich bei den Wäscherinnen.
«Gib Acht, die Waschfrauen sind berühmt für ihr loses Maul!», hatte Marusch gespottet.
«Keine Sorge, meines ist auch nicht zugenäht.»
Ein paar Tage darauf waren auch Marthe-Marie und Maruschfündig geworden. Ein Rotgerber gab ihnen Arbeit als Fellpflückerinnen. Von morgens bis abends zupften sie Fellreste von Tierhäuten für die Filzherstellung, zwischendurch mussten sie beim Entfleischen mithelfen: Mit
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