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Die Tochter der Hexe

Die Tochter der Hexe

Titel: Die Tochter der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Wollt ihr warten, bis die Spießgesellen Satans Blut, Mäuse und Feuer vom Himmel regnen lassen? Entscheidet euch jetzt, bevor es zu spät ist. Wendet euch ab von teuflischen Blendwerken und Trugbildern, kämpft mit uns in der Armee Gottes gegen die Verschwörung Satans.»
    Ein Wanderprediger. Jetzt sah sie ihn auf einem Holztisch stehen, ganz in Schwarz, mit weitem Mantel und aus der Mode geratenem Rundhut. Nach jedem zweiten Wort stieß seine Faust gen Himmel. Als das erste Fuhrwerk mit Sonntag und Diego die Menge passierte, hielt er einen Moment inne, um dann nur noch lauter zu krakeelen.
    «Der Herr möge euch helfen, die Gottlosen zu erkennen. Gebt Acht auf eure Nachbarn, ob sie Übles tun. Vor allem aber gebt Acht auf die Fremden, die in vielerlei Gestalt sich tarnen. Helft mit, die Nester der Hexenweiber und Unholde auszuräuchern, die Satansdiener zu vernichten. Denn befiehlt nicht das göttliche Gesetz, die Zauberer sollst du nicht leben lassen? Brennen sollen die Aufrührer wider Gott, damit sie nicht das Reich des Teufels auf Erden errichten.»
    Ein vielstimmiges Gebrüll erhob sich. «Weg mit dem Gesindel!» Marthe-Marie, die nach dem Prinzipal und Marusch an dritter Position fuhr, war schon beinahe an dem Haufen vorbei, als ein Stein knapp an ihrer Schläfe vorbeipfiff. «Hudelvolk! Lumpenpack!» Schützend beugte sie sich über die beiden Mädchen und gab ihrem Maultier die Peitsche.
    «Schlagt die Gotteslästerer! Steinigt sie!»
    Ein junger Bursche kletterte am Kutschbock hoch und schlug ihr mit einem Ast gegen die Stirn. Sie stieß ihn mit dem Fuß zurück. Endlich fiel ihr Maultier in unbeholfenen Galopp. Hinter sich hörte sie den Tumult lauter werden, und beklommen dachte sie daran, dass vier von ihnen mit Handkarren unterwegs waren und damit diesem Pöbel schutzlos ausgeliefert.
    Da sah sie Diego und Sonntag nach hinten laufen, mit Peitsche und Stöcken bewaffnet. Sie konnte nicht erkennen, was vor sich ging, denn der breite Aufbau des Wohnwagens verdeckte die Sicht nach hinten. Wutgebrüll ertönte, vielleicht waren es auch Schmerzensschreie. Sie trieb ihr Maultier weiter an, den einzigen Gedanken im Hirn, die beiden Kleinen außer Gefahr zu bringen, und hielt sich so dicht hinter Maruschs Fuhrwerk, dass sie kaum bemerkte, wie sie Rottenburg links liegen ließen. Endlich hielten sie in einem dichten Wäldchen. Fast gleichzeitig sprangen Marusch und sie vom Kutschbock, vom vordersten Fuhrwerk rannte ihnen Antonia entgegen und warf sich ihrer Mutter in die Arme.
    «Ich hatte solche Angst», flüsterte sie.
    «Du bist tapfer wie ein Löwe.» Marusch strich ihr zärtlich übers Haar. «Hast ganz allein den Tross angeführt. Meine Große! Jetzt lauf und tröste Agnes und Lisbeth.»
    Die beiden Kleinen kauerten immer noch auf dem Wagen. Nun, wo alles vorüber war, begannen sie zu weinen.
    «Du bist ja verletzt!» Nur langsam löste sich die Anspannung in Maruschs Gesicht.
    «Eine Schramme, nichts weiter.» Marthe-Marie bückte sich, pflückte einige Blätter Taubnessel und drückte sie gegen ihre blutverschmierte Stirn. Mettel hatte ihr das gezeigt. Dann sah sie sich um.
    «Wo bleiben die anderen nur? Hoffentlich ist ihnen nichts geschehen.» Erschöpft lehnte sie sich gegen den Wagen. «Was wardas jetzt eigentlich? Verstehst du das alles? Wieso greifen die Leute uns aus heiterem Himmel an?»
    «Es ist nicht das erste Mal. Leo hatte Recht. Wir sollten aus dieser Gegend schleunigst verschwinden, Frühlingsfest hin oder her.»
    Kurz darauf kamen mit freudigem Gebell die beiden Hunde angerannt, gefolgt von Niklas und Tilman.
    «Dem Himmel sei Dank.» Marthe-Marie faltete unwillkürlich die Hände. «Wo sind die anderen?»
    Die beiden schnappten nach Luft. Tilman deutete hinter sich zum Eingang des Wäldchens, wo in diesem Moment der Wagen der Musikanten mit Clara, Titus und den anderen Frauen auftauchte, gefolgt von Quirins Karren, dessen Maulesel allerdings führerlos vor sich hin zockelte.
    «Ich weiß nicht, wo die Männer sind», keuchte Tilman. «Vater hat gebrüllt: Frauen und Kinder auf den Wagen, dann hat er dem Maultier die Peitsche auf den Arsch geknallt, und wir sind losgerannt. Ich glaube, die prügeln sich immer noch.»

27
    «Jetzet – hasch des g’hört?» Vor Aufregung fiel Diego in breites Schwäbisch.
    «Was gehört?», fragte Marthe-Marie.
    Er wies nach links. «Der Trödler dort.»
    Mit einem Kochlöffel schlug der Händler, der ihnen am nächsten stand, eine kurze Melodie auf

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