Die Tochter der Ketzerin
trafen, zuckte sie nur die Schultern.
In den kommenden Tagen säten wir auf den östlichen Feldern in Richtung Ladle Meadow Weizen, Mais und Heuwiese aus. Selbst Hannah bekam einen kleinen Beutel mit Samen, damit sie helfen konnte, die Körner in der Erde zu versenken. Sie stolperte über Erdbrocken und den Saum ihres gerade erst länger gemachten Kleidchens. Da der Boden von Steinen strotzte, ging es nur langsam voran. Doch das Wetter war gut, auch wenn es hin und wieder ergiebig regnete. Mercy erwies sich als so kräftig wie ein junger Bursche und grub mühelos Steine aus, die so groß waren wie ein Kalbskopf. Eigentlich hatte ich gedacht, dass sie sich vor dieser harten Arbeit drücken und das Kochen übernehmen würde. Aber sie hielt sich lieber in der Nähe der Männer auf. Manchmal ging Robert Russell, dessen Farm südöstlich von unserer zwischen Ladle Meadow und Gibbet Plain lag, uns bei der Aussaat zur Hand. Er war ein hochgewachsener und gut aussehender Mann und vor vielen Jahren mit meinem Vater aus dem alten England gekommen. Robert war auch der Einzige, den mein Vater auf die Jagd mitnahm, und wenn die beiden in die Wälder zogen, wussten wir, dass sie tagelang fortbleiben würden. Als Robert zum ersten Mal auf den Feldern erschien, versetzte Mercy mir einen heftigen Rippenstoß. »Hat der Mann da eine Frau?«, zischte sie laut.
»Nein«, antwortete ich und rieb mir die schmerzenden Rippen. »Aber eine Nichte, die Elizabeth heißt.«
»Wie alt ist sie denn?«
»Etwa vierzehn oder fünfzehn, glaube ich.«
Mercy verzog wissend das Gesicht. Bald scheute sie keine Mühe, Roberts Nähe zu suchen, und brachte ihm bei jeder Gelegenheit Wasser. Allerdings war er nicht der Einzige, an den sie sich heranmachte, denn sie folgte auch Richard wie ein Schatten. Sie erbot sich, ihm die Arbeit in der Scheune abzunehmen, und tat ihm bei Tisch die größte Fleischportion auf, bis Mutter eines Tages nach Richards Teller griff und ihn vor Vater hinstellte.
In der zweiten Maiwoche erledigten Mercy und ich zusammen die Wäsche. Wir hatten Lauge in einen Kessel mit kochendem Wasser gegeben und drückten nun mit langen Stangen die Hemden hinein. Obwohl wir den gusseisernen Kessel fast eine Stunde lang mit Sand sauber geschrubbt hatten, roch er noch immer nach Bärenfett. Was ihr Leben bei den Wabanaki anging, schwieg Mercy sich zu meinem Bedauern weiterhin aus, und die Geschichten meines Onkels konnten sie nicht beeindrucken. Vater und meine Brüder waren draußen auf den Feldern und verstreuten Samen aus ihren umgehängten Säcken. Immer wieder hob Mercy den Kopf aus dem Dampf, um zu ihnen hinüberzuschauen.
»Mercy, ich habe gehört, dass die Indianer Teufel sind und dass Luzifer selbst als brauner Mann erscheint.«
Sie blickte mich an und kniff wegen der tief stehenden Sonne die Augen zusammen. »Ein Indianer ist auch nur ein Mann«, erwiderte sie mit einem verächtlichen Schnauben. Dann hielt sie sich die lange Stange in ihrer Hand waagerecht vor die Lenden. »Und alle Männer sind gleich gebaut«, fügte sie mit einem anzüglichen Blick hinzu. Ich lachte, um ihr zu zeigen, dass ich verstanden hatte, war jedoch peinlich berührt.
»Dein Bruder Richard ist schon ein richtiger Mann. Ich denke, er wird bald eine Frau brauchen.«
Bis jetzt hatte ich noch keinen Gedanken daran verschwendet, dass mein Bruder nun ein Mann und kein Junge mehr war. Offen gestanden beschäftigte ich mich überhaupt nicht viel mit ihm, wenn er nicht gerade wieder Streit suchte. Mercy entfernte sich vom heißen Feuer und legte sich in den Schatten einer Ulme, die ihre Zweige über das Dach des Hauses breitete. Dann nahm sie einen Grashalm, wölbte die Hände darum und stieß damit einen schrillen Pfiff aus. Ich setzte mich neben sie, tat so, als betrachte ich meine Schnürsenkel, musterte dabei verstohlen ihr Gesicht und sagte mir, dass Richard niemals ein so hässliches Mädchen heiraten würde.
»Du hast mich vorhin nach Teufeln gefragt«, meinte sie nach einer Weile. »Weißt du, was die Indianer mit Leuten machen, die zu fliehen versuchen?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Da war ein Mann aus Salmon Falls, der mit uns anderen nach Kanada verschleppt worden war«, fuhr sie fort. »Er hieß Robert Rogers und wollte entkommen, wurde aber wieder eingefangen.« Mercy hielt inne, betrachtete mich und pfiff wieder auf dem grünen Halm in ihrer Hand. Das Geräusch klang wie der Schrei einer Frau. »Er wurde nackt ausgezogen, an einen Pfahl
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