Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tochter der Ketzerin

Die Tochter der Ketzerin

Titel: Die Tochter der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Kent
Vom Netzwerk:
Klang meiner Stimme mit dem Rauschen des aufziehenden Unwetters mischte, wusste ich nicht, ob sie mich gehört hatte. In jener Nacht erschien mir Margaret im Traum. Sie stand am anderen Ufer des Shawshin River und rief mir etwas zu, das ich wegen des tosenden Windes jedoch nicht verstehen konnte. Auch als sie die Hände zu einem Trichter formte, ging das, was sie mir sagen wollte, im Lärm unter. Auf der Suche nach einer Möglichkeit, den Fluss zu überqueren, rannte ich am Ufer hin und her, aber ich konnte weder ein Boot noch eine Brücke entdecken. Sie wies hinter mich, und endlich trug der Wind ihre Stimme zu mir hinüber: »Feuer, Sarah, Feuer.«
    Ich erwachte davon, dass Tom mich aufgeregt am Fuß rüttelte. »Feuer, Sarah. Die Felder brennen!«, rief er aus voller Kehle.
    In diesem Moment schlug Hannah die Augen auf und fing beim Anblick von Toms entsetzter Miene prompt an zu schreien wie in Todesnot. So fest klammerte sie sich an meine Beine, dass ich beim Versuch, das Kleid über den Kopf zu ziehen, beinahe gestürzt wäre. Ich nahm sie auf den Arm und hastete mit Tom zum Rand der Felder. Mercy eilte mit Vater auf die Wand aus Rauch zu. Die Welt östlich der Scheune war in ein dunstig-gelbes, flackerndes Licht getaucht. Ich sah Andrew, aus Leibeskräften rennend, zwei Eimer Brunnenwasser herbeischleppen. Er reichte sie Richard, der auf das Scheunendach geklettert war, um es anzufeuchten. Hinter der Scheune befand sich eine kleine Anhöhe, und als ich hinaufstieg, erkannte ich, wo das Feuer ausgebrochen war. Eine alte Ulme, die schon seit Generationen dort stand, hatte den Blitz abgeleitet wie eine Regenrinne das Wasser. Ihr gespaltener geschwärzter Stamm lag tot da, während die Flammen die äußere Heuwiese auf der anderen Seite des Pfades verwüsteten, der über die Kuppe von Nord nach Süd verlief. Der Wind wehte erst aus Westen und dann nach Osten, als die beiden Unwetterfronten sich miteinander vereinten. Ich bemerkte einen Mann, der neben Vater arbeitete. Verzweifelt versuchten die beiden, mit ihren Hacken eine Schneise zwischen den Heuwiesen und den zarten Weizenstängeln zu schlagen. Mutter packte mich an der Schulter und schob mich in Richtung Scheune. »Hol die Sicheln, Sarah. Neben der Tür lehnt noch eine weitere Hacke. Beeil dich, um Himmels willen, sonst brennt hier alles nieder.«
    Ich rannte, bis mir die Lungen schmerzten, und fragte mich dabei, was ich mit Hannah anfangen sollte. Auf die brennenden Felder konnte ich sie ja schlecht mitnehmen, und meine Brüder fielen als Aufpasser aus, da sie gebraucht wurden, um das Feuer einzudämmen. Hannahs Nägel gruben sich in meine Haut, dass es blutete, als ich sie von meinem Hals zerrte, und während ich sie mit einem Lederriemen an einen Pfosten band, trat sie bitterlich weinend um sich. In ihrer Angst, im Stich gelassen zu werden, verwandelte sie sich in ein wildes Tier, und das Weiße in ihren Augen war zu sehen, als sie versuchte, den Riemen mit den Zähnen durchzubeißen. Ich rief Andrew zu, er dürfe nicht vergessen, Hannah zu retten, falls die Scheune Feuer fangen sollte, und betete, er würde in diesem Durcheinander auch wirklich daran denken. Dann sammelte ich die benötigten Werkzeuge ein und hastete, hoffend, dass ich nicht stolpern und mir an den frisch geschärften Sicheln die Beine abschneiden würde, zurück zu den Feldern. Wir arbeiteten Seite an Seite mit den Männern, die einen flachen Graben aushoben, und schnitten mit den Sicheln die Halme ab, damit eine Schneise entstand, die die Flammen nicht überspringen konnten. Allerdings kam das Feuer immer näher und drohte, auf den Weizen überzugreifen. Ich spürte, wie mir die Hitze auf den Wangen brannte und mir das Haar kräuselte. Als ich einen Moment innehielt, um mich auszuruhen, versetzte Mutter mir einen Schubs. »Nicht aufhören. Weitermachen«, zischte sie mit rauer Stimme. Hinter mir hörte ich, wie Tom eimerweise Sand über die abgemähten Halme schüttete.
    Noch schlimmer als die Hitze war der wabernde Rauch, der in jede Körperöffnung eindrang, bis uns Augen, Ohren und Kehlen schmerzten. Ich zog mir den Rock übers Gesicht, um wieder zu Atem zu kommen - und stand plötzlich, allein und eingehüllt in eine Wand aus Qualm, auf dem brennenden Feld. Ich spürte, wie Panik in mir aufstieg, und als ich mich umdrehte, sah ich, wie eine Flammenzunge, einem seidenen Band gleich, auf die Sohle meines Schuhs zuglitt. Ich stieß einen Schrei aus. Am liebsten wäre ich losgerannt,

Weitere Kostenlose Bücher