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Die Tochter der Ketzerin

Die Tochter der Ketzerin

Titel: Die Tochter der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Kent
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sei.
    Die Wolken hatten den ersehnten Regen gebracht. Der Weizen war geerntet, und der Mais wuchs und gedieh prächtig. Sicher würde es eine gute Maisernte geben, sodass wir einen Teil davon zum Tauschhandel würden verwenden können. Fast vergnügt sprach Mutter von dem Kerzentalg und der Wolle zum Spinnen, die sie im Herbst dafür bekommen würde. Außerdem spielte sie mit dem Gedanken, eine junge Kuh und eine Sau anzuschaffen, damit wir mehr Milch und Fleisch hätten. Offenbar schloss Mercy aus Mutters aufgeräumter Stimmung, dass heute der richtige Tag war, um in Verhandlungen mit ihr einzutreten. Vermutlich plante sie schon länger, mit einem Skandal wegen eines unehelichen Kindes zu drohen und Richard in Verruf zu bringen, wenn mein Bruder sie nicht heiratete. Allerdings stellte sie sich dabei recht ungeschickt an, indem sie ihre Forderungen herausplärrte wie eine verirrte Ziege. Als sie geendet hatte, war nur ein lauter Knall zu hören, denn Mutter schlug das Backrohr so fest zu, dass Hannah zusammenzuckte und sich ängstlich an meine Beine klammerte. Nun standen sich die beiden Frauen, sichtlich um Beherrschung bemüht, gegenüber. Meine Mutter kämpfte gegen einen Wutausbruch an, während Mercy vermutlich versuchte, ihre Angst niederzuzwingen. Richard, der im Juli siebzehn geworden war, galt jetzt als Mann und durfte heiraten, wenn auch nur mit Einwilligung seines Vaters.
    Im nächsten Moment krempelte Mutter die Ärmel hoch. »Nun gut«, sagte sie. »Du behauptest also, ein Kind zu erwarten. Deshalb möchte ich mich mit eigenen Augen vergewissern, ob das auch stimmt.«
    Vor Überraschung blieb Mercy der Mund offen stehen, und sie sah wortlos zu, wie meine Mutter die Kräuter vom Tisch in meine Schürze fegte.
    »Gütiger Himmel, Mädchen, glotz nicht so. Ich habe schon Dutzende Male als Hebamme ausgeholfen und weiß genau, was du unter dem Rock hast. Glaubst du ernsthaft, ich gebe meinen Sohn einer wie dir, ohne einen Beweis dafür zu haben, dass du in anderen Umständen bist?«
    Mercy stand wie angewurzelt da und warf mir einen hilfesuchenden Blick zu. Doch auch ich war machtlos gegen den Zorn meiner Mutter und konnte nur zusehen, wie Mercy zur Schlachtbank geführt wurde. »Ich erwarte ein Kind, und Richard muss mich heiraten. Sonst bin ich ruiniert«, beharrte sie.
    Mutter würdigte sie keiner Antwort, sondern baute sich in herrischer Pose abwartend neben dem Tisch auf. Dass Mercy sich in die Enge getrieben fühlte, stand ihr ins Gesicht geschrieben. Doch ihre Dreistigkeit siegte, denn sie hoffte offenbar, dass sie sich ausgiebig genug mit Richard verlustiert hatte, um die Prüfung zu bestehen. Jedenfalls kletterte sie auf den Tisch und legte sich auf den Rücken. Rasch zog Mutter Mercy Rock und Hemd hoch und drückte ihr die Knie auseinander. Ich wich vom Tisch zurück, allerdings nicht zu weit, damit ich einen Blick zwischen ihre Beine werfen konnte. Obwohl Margaret mir so einiges erklärt hatte, hatte ich nämlich keine Vorstellung davon, wie eine erwachsene Frau gebaut war. Mit einem wohligen Gruseln beobachtete ich, wie Mutter Mercy rasch untersuchte und ihr dann den Rock wieder bis zu den Knöcheln hinunterstreifte. Dann trat sie vom Tisch zurück. »Du bist noch Jungfrau«, sagte sie. »Wie soll denn das Kind in dich hineingekommen sein, wenn noch kein Mann bei dir war?«
    Mercy setzte sich auf. »Ich bin schwanger. Ich bin schwanger!«, kreischte sie. Aber Mutter ließ sich von ihrer Empörung und ihrem kläglichen Greinen nicht erweichen. Lange saß Mercy schluchzend und wimmernd auf dem Tisch, bis sie endlich einsehen musste, dass alle Mühe vergeblich war. Also rappelte sie sich hoch, strich ihren zerknitterten Rock und ihre Schürze glatt und richtete sich so würdevoll wie möglich auf. »Nur weil ich bei Ihnen in Schuldknechtschaft stehe, finden Sie, dass ich nicht gut genug für Ihren Sohn bin«, verkündete sie, nachdem sie sich die Nase am Ärmel abgeputzt hatte. »Doch ganz gleich, was Sie auch sagen, ist er verpflichtet, mich zu heiraten und das, was er bereits benutzt hat, rechtmäßig zu erwerben. In Ihren Augen mag ich ein Nichts sein, aber meine Familie hatte in Topsfield eine bessere Farm als die hier, die verglichen damit nichts weiter ist als ein Misthaufen.«
    Mit dieser Beleidigung hatte sie sich den letzten Funken Mitleid verscherzt, den meine Mutter für sie empfunden haben mochte.
    »Du hast deine Lage nicht selbst verschuldet. Ein Missgeschick hat dich zur Dienstbotin

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