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Die Tochter der Ketzerin

Die Tochter der Ketzerin

Titel: Die Tochter der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Kent
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Indianerüberfällen auf Fort Wells. Wir können nur hoffen, dass die Richter zur Vernunft kommen, bevor die Verhandlungen wieder beginnen.«
    In diesem Moment setzte Sprühregen ein, sodass wir bald bis auf die Haut durchweicht waren. »Uns werden sie als Nächstes holen«, stieß ich hervor. »Mutter hat gesagt, dass es so kommen wird. Sie möchte, dass wir antworten, was die Richter hören wollen, auch wenn wir uns selbst der Hexerei bezichtigen müssten. Sie denkt, dass sie uns dann gehen lassen.«
    Als ich rechts von mir eine Bewegung wahrnahm, fuhr ich herum und sah Tom mit hochgezogenen Schultern im Regen stehen. Sein Gesicht war bleich, seine Lippen waren blau angelaufen, und er rang nach Luft. Ich weiß nicht, wie lange er schon gelauscht hatte, doch sicher eine geraume Weile, denn er wirkte so verängstigt, als hätte ich ihm die Kehle zugedrückt. Im nächsten Moment machte er kehrt und rannte ins Maisfeld hinein, wo die wachsenden Stängel von der feuchtwarmen Luft aufgeweicht und biegsam waren.

    Der Zwischenfall am Brunnen trieb meine beiden Brüder in entgegengesetzte Richtungen. Bei Richard hatte der Ausbruch die harte Mauer in seiner Brust niedergerissen, und obwohl er noch nicht ganz im Reinen mit sich war, wirkte er ein wenig ausgeglichener. Anfangs zögerte er, mir die Zustände im Gefängnis zu schildern, weil Mutter ihm das Versprechen abgenommen hatte, das alles für sich zu behalten. Doch ich bedrängte ihn so lange, bis er über den Alltag dort, die Enge, den Schmutz und die Angst sprach. Bald nahm er die Briefchen nach Salem mit, die ich an Mutter schrieb, sodass ich viele Stunden damit verbrachte, mühsam Buchstaben an Buchstaben zu fügen, um Nachrichten wie diese zu verfassen: » Libe Mutter. Wir fermissen dich seer. Wir sint alle sauber, biss auf Hannah, unt haben genuk zum Essen, weil immer Fleisch im Topf isst.« Ich bekam eine Antwort von Mutter, die sie mit etwas Ruß auf den unteren Rand meines Pergaments gekritzelt hatte. » Liebste Sarah. Du musst unbedingt Rechtschreibung üben. Deine dich liebende Mutter.«
    Enttäuscht von der Kürze dieses Briefes, brütete ich lange darüber und versuchte, ihm eine tiefere Botschaft zu entlocken. Nie wäre ich auf den Gedanken gekommen, wie schwierig es für meine Mutter gewesen war, in ihrer dunklen Zelle genug Ruß zu finden, um mühsam Buchstaben zu schreiben, die sie kaum sehen konnte. Es waren auch Abdrücke von ihrer Hand auf dem Brief, und ich sollte noch oft bereuen, dass ich ihn nicht behalten hatte. Die zarten Wirbel und Linien ihrer Finger auf dem Papier mit dem Schmutz ihrer Gefängniszelle als Farbstoff waren ihre wahre Botschaft an mich gewesen.
    Tom hingegen wurde von dem Wissen, das er am Brunnen aufgeschnappt hatte, ausgesaugt und zusammengedrückt wie von einer Apfelpresse, bis er mich, verdorrt und schrumpelig, an eine getrocknete Birne erinnerte. Seine Augen waren das Schlimmste, denn wenn sie einen ansahen, war sein Blick so flehend wie der eines Ertrinkenden. Er schleppte sich jeden Tag zur Arbeit. Doch eines Tages draußen auf dem Feld schlüpfte er aus dem Lederriemen, mit dem er einen Baumstumpf hatte aus dem Boden ziehen wollen, ging wortlos davon, stieg die Treppe zum Speicher hinauf und legte sich auf seinen Strohsack. Er antwortete nicht, als Vater ihn rief, und kam auch nicht zum Abendessen herunter. Später besuchte ich ihn, um ihm die Stirn zu fühlen und ihm mit einem Heiltrank zu drohen. Aber er sah mich nicht an und sprach kein Wort mit mir. Am nächsten Morgen nach dem Frühstück ging Vater hinauf zu Tom und blieb lange bei ihm, bis sie gemeinsam unten erschienen. Seit diesem Tag bewegte Tom sich wie ein Schatten. Er aß, arbeitete, antwortete, wenn man ihn etwas fragte, und hielt so Kontakt zu den Lebenden.
    Am Donnerstag, dem 16. Juni, wurde der Onkel tot in seiner Zelle in Boston aufgefunden. Da sein Tod als verdächtig galt, ordnete der königliche Leichenbeschauer von Suffolk County eine Untersuchung an. Die fünfzehn Männer, die die Leichenschau durchführten und den Bericht des Leichenbeschauers unterzeichneten, kamen zu dem Schluss, dass der Onkel eines natürlichen Todes gestorben war. Wir erfuhren es von Robert Russell, als wir am folgenden Sonntag beim Abendessen saßen. Obwohl wir seit Mutters Verhaftung nicht mehr ins Versammlungshaus gingen, versuchte ich, die Tradition aufrechtzuerhalten, indem ich an diesem Tag einen Sonntagsbraten zubereitete. Die Haxe war zwar angebrannt, und das grobe

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