Die Tochter der Konkubine
und sie genoss die Orangenmarmelade auf Toastbrot, während er sich bei dem Hundertjahr-Ei und dem gewürzten Congee nicht ganz so sicher war.
Er hatte sich an Deck rasiert, und sie hatte ihm von ihrem Platz an der Luke aus zugesehen, erstaunt über dieses Ritual, das sie bei den larn-jai nie erlebt hatte, die sich die Haare eines nach dem anderen
mit schmutzigen Fingernägeln vom Kinn zupften. Als er fertig war, hechtete er von der Reling in das blaue, glatte Meer, schwamm mit kräftigen Zügen unter Wasser, tauchte zehn Meter vom Schiff entfernt wieder auf und rief ihr zu, sie möge es ihm gleichtun.
Li hatte sich unter den Weiden, jedoch nie außer Reichweite der herabhängenden Äste oder nicht zu weit von den mui-mui , die schwimmen konnten wie Frösche, ein paar hastige Züge beigebracht. Sich ohne Hilfe in die Unendlichkeit des Meeres zu stürzen war fast undenkbar und beschwor Erinnerungen an die trüben Böschungen des Flusses, der sie mit offenen Armen erwartet hatte, und die sich hin und her bewegenden Wasseralgen herauf.
Plötzlich erschien Wang neben ihr an Deck und bot ihr an, eine Strickleiter hinunterzulassen. Ben rief nach ihr. »Hab keine Angst … das Wasser kann dir nichts anhaben. Es ist tief und sauber und sammelt Sonnenlicht wie ein Spiegelglas.« Ben winkte und spritzte herum wie ein Junge in einem Wasserloch. »Komm und sieh selbst. Ich bin hier und fange dich auf!«, machte er ihr Mut. Eindeutig auf Spaß aus, schwamm er mit einem Dutzend Zügen näher ans Schiff. Als würde er ihre Unschlüssigkeit teilen und den Grund verstehen, blickte er empor - das Haar angeklatscht, die breiten, braunen Schultern glänzend. »Ich war damals zur Stelle, und jetzt bin ich es auch.« Er streckte die Hände nach ihr aus. »Komm! Ich werde dir beibringen, wie eine Meerjungfrau zu schwimmen!«
Li spürte, wie die Furcht vor dem tiefen Wasser mit dem Ablegen ihres Gewands von ihr abfiel, und sie sprang ohne einen weiteren Gedanken - stürzte mit den Füßen voraus in eine Welt wechselhafter Prismen. Das Licht spielte auf Bens nacktem Körper, als er auf Li zuschwamm - das letzte Restchen Zweifel fiel von ihr ab, als er sie mit festen Händen umfasste und sie mit kräftigem Beinschlag nach oben trug, bis sie durch blendende Fragmente kristallklaren Sonnenlichts brachen. Binnen einer Stunde hatte er ihr beigebracht, die Länge der Golden Sky abzuschwimmen, zunächst mit seiner Unterstützung, dann mit ihm nahebei und schließlich allein, während er vorausschwamm und sie anfeuerte.
Die folgenden Tage über widmete sich Li dem Schwimmen im Meer mit Freude und Faszination, stürzte sich von der Reling aus hinein und bewegte sich mit zunehmendem Stil und Selbstvertrauen durch das kalte Salzwasser, sogar weiter von der Sicherheit des Schiffes und seiner herabhängenden Strickleiter fort. Wang, ein Nichtschwimmer, der es für eine gwai-lo- Verrücktheit hielt, sich in unbekannte Gewässer zu stürzen, die voller Meeresdrachen und Ungeheuer aus der Tiefe waren, stand mit einem Rettungsring bereit.
Eines Morgens fand sie heraus, wie viel Spaß es machte, sich auf dem Rücken treiben zu lassen, durch juwelenbesetzte Wimpern den riesigen blauen Himmel zu sehen, an dem Wolken dahintrieben und von dem Möwen herabstürzten, um sich einen glitzernden Fisch aus dem Meer zu schnappen. Da Ben sich stets in ihrer Nähe aufhielt, traute sie sich, allein zu treiben, getragen von ihrer Zuversicht und ihrem Überlebenswillen. Das Vertrauen und die Dankbarkeit, die sie ihm gegenüber empfand, schufen einen ganz eigenen Auftrieb, hielten sie über Wasser, und Meer und Himmel waren Zeugen. Das war Bens Welt, wo nichts ihn entsetzte und über nichts Gericht gehalten wurde. Dieses so ungemein erhebende Gefühl musste einen Namen haben, und Li kam zu dem Schluss, dass es Liebe sein musste.
Zurück an Bord, das warme Deck unter den bloßen Füßen, verspürte Li ein Hochgefühl, das sie sich nicht hätte träumen lassen, und breitete die Arme weit zum blauen Himmel aus. Als wüsste er, dass sie das wahre Wunder der Freiheit und vielleicht die Bedeutung der Liebe entdeckt hatte, legte Ben die Arme um sie und hob sie hoch.
»Nun, da du wie ein Fisch im Meer schwimmen kannst, musst du lernen, darauf zu segeln. Dann hast du dir das Meer wirklich untertan gemacht.« Laut lachend hielt er sie, als wolle er sie nie mehr loslassen. »Ein Comprador und die tai-tai eines seefahrenden Mannes, die nicht segeln kann, sind ihren Reis nicht
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