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Die Tochter der Konkubine

Die Tochter der Konkubine

Titel: Die Tochter der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pai Kit Fai
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Tiefen hinab, die von Strahlen des Sonnenlichts durchdrungen wurden. Sie legte ihr Gewand ab, sprang und teilte sauber die Oberfläche. Das kalte Wasser umarmte ihre nackten Glieder mit festem Griff, als sie in das unergründliche Blau tauchte, ohne Hilfe, ohne Angst.

16. KAPITEL
    Die Villa Formosa
    Die ersten Wochen von Lis Ehe vergingen rasch und idyllisch an Bord der Golden Sky , während die Villa Formosa fertiggestellt wurde. Fisch stieß auf dem Schiff zu ihnen, so fürsorglich und aufmerksam wie immer. Miss Bramble beschloss, die Gelegenheit wahrzunehmen und nach England heimzukehren, um sich um ihre Angelegenheiten zu kümmern, ehe sie nach China zurückkehrte, um ihre Arbeit mit Li-Xia und vielleicht, eines Tages, mit ihren Kindern fortzusetzen.
    Ben hatte für sie eine Passage erster Klasse auf einem Dampfer organisiert, der von Shanghai nach Southampton auslief. In Miss Brambles gemütlicher Privatkabine gab es einen tränenreichen Abschied.
    »Beinahe hätte ich vergessen, dir das hier zu geben.« Die Hauslehrerin reichte Li eine gerahmte Fotografie. »Ich fürchte, zur Fotografin tauge ich nicht. Aber das hier ist wunderschön. Ich bin ziemlich stolz darauf.«
    Zu Lis Entzücken war es ein Bild von ihrer Hochzeit. An jenem Tag hatte sie den kleinen schwarzen Kasten, an dem Miss Bramble herumnestelte, oder ihre Bitten, sich nicht zu rühren, während sie den Auslöser drückte, kaum bemerkt. Li, die keine Erfahrung mit Kameras oder Fotografie hatte, war verblüfft von dem perfekten Bild von sich und Ben neben der Takelage, mit der flachen See und der zerklüfteten Küste im Hintergrund. Zum ersten Mal sah sie sich, wie andere sie sahen, und obgleich sie sich nicht herausnahm, ihre Schönheit zu bewerten, sah sie zumindest ihre glückliche Miene und dass Ben mit ihr lächelte. Sie fuhr mit dem Daumen
die Filigranarbeit des Silberrahmens nach. »Ich finde es wunderschön und werde es für den Rest meines Lebens in meiner Nähe aufbewahren.«
    Untertags setzte Li ihre Studien mit Ben fort und machte sich mit der Arbeit eines Compradors immer mehr vertraut. Doch es gab auch Tage, an denen sie ihre Pflichten beiseiteschoben. Mit der Golden Sky besuchten sie die alte Stadt Hangchow, die ebenso berühmt für ihre Tempel und prächtigen Gärten wie für ihr erlesenes Porzellan war, erforschten gemeinsam ihre historischen Stätten und kauften Dinge zur Verschönerung ihrer Räume in der Villa Formosa.
    In Shanghai zeigte Ben ihr im hoch über der Uferpromenade gelegenen Sassoon-Haus die Büroräume, die einst von seinem Vater bewohnt worden waren. Er war gerade dabei, sie als Büros seiner Handelsgesellschaft instand zu setzen. Er erzählte ihr von seinen Absichten, das Schiffsbauunternehmen in Macao demnächst einzustellen und sich auf das kaufmännische Geschäft in Hongkong und Shanghai zu konzentrieren. In diesen beiden Städten, der britischen Kolonie Hongkong und dem Vertragshafen Shanghai, war ihm zufolge künftig das große Geld zu holen.
    Durch die majestätischen Felsschluchten des Yangtze-Tals fuhren sie auf der Golden Sky den Yangtze entlang bis zur Festungsstadt Chungking. Ben ließ das Dingi zu Wasser, und sie fuhren auf seinen schmalen Nebenflüssen zu verborgenen Dörfern, die an fruchtbaren Hängen klebten. Er zeigte ihr Yung-Po, die Geisterstadt, deren alte Pagoden sich wie Minarette aus den Bergnebeln erhoben; und den Buddhatempel »Große Stimme« mit seiner monolithischen Glocke, die sogar noch am großen Tungting-See zu hören war. Sie schlenderten durch Tee - und Zitronengärten, besuchten die Mingstadt Datang, wo sich seit tausend Jahren nichts verändert hatte, und schacherten um unbezahlbare Aquarelle, meisterhafte Kalligraphien und den besten wilden Ginseng.
    Nachts entdeckten sie in dem Himmelbett Wege zur Ekstase, die all ihre Erwartungen übertrafen. Als die Golden Sky sich auf die Heimreise nach Hongkong machte, war Li überrascht über die
Tiefe ihrer Intimität und die schwindelerregenden Höhen ihrer Erfüllung. Das ließ den Wunsch in ihr aufsteigen, ewig so weiterzureisen, mit nichts als dem Meer und dem Himmel im Gefolge. Doch ihr war klar, dass das Leben nie so vollkommen sein konnte und dass sie nun die Herrin eines Taipanhauses war.

    Das Devereaux-Anwesen in der Repulse Bay erstreckte sich über vierzig Hektar, von denen eine Hälfte in einen traditionellen chinesischen Garten verwandelt und die andere mit den Bäumen und Blumen eines vornehmen englischen Herrenhauses

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