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Die Tochter der Konkubine

Die Tochter der Konkubine

Titel: Die Tochter der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pai Kit Fai
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Sumpfhuhns klang. Sie benutzten dieses Signal, um einander in den Schilfbänken zu finden. Sie wiederholte den Schrei, dann noch einmal und ein drittes Mal, noch lauter als zuvor. Noch nie hatte sie den See so still erlebt, und noch nie hatte sie nicht sofort einen Antwortschrei bekommen.
    Zuerst machte Siu-Sing sich keine Sorgen. Vielleicht hatte Paw-Paw sich verlaufen oder eine Krabbe oder einen Aal gejagt, der groß genug war, sie in tiefere Gewässer zu locken.
    Dem Weg, den die gebogenen Schilfrohre bildeten, ließ sich ebenso leicht folgen wie einem Ziegenpfad, da sich der Schlamm immer noch nicht wieder ganz am Boden abgesetzt hatte, als Siu-Sing energisch in das Dickicht watete. Mit jedem ihrer raschelnden Schritte wurden ihre Schreie lauter. Nach und nach wurde das Wasser tiefer, bis es ihr schließlich bis an die Oberschenkel reichte. Es war nicht länger klar und voll von wuselndem Leben, sondern dunkler und kälter, da, wo die Sonne nicht bis zu ihm durchdrang.
    Die Selbstbeherrschung verbot es ihr, in größere Unruhe zu verfallen, doch im Geiste hörte sie plötzlich Meister Tos Stimme. Erst flüsterte sie, doch als das Wasser tiefer wurde, wurde sie immer lauter: Der Kranich war zufrieden damit, ein ruhiges Leben im Sumpf zu führen, sein Nest in den Binsen zu bauen und seine Flügel auf der Sandbank zu trocknen. Aber der Tiger suchte den Kranich in den Schilfbänken heim und versuchte, ihn zu zerstören …
    Ihre Rufe blieben unbeantwortet. Als der Stand der Sonne ihr zeigte, dass mehr als eine Stunde vergangen war, seit sie sich am Sampan getrennt hatten, übermannte sie die Angst. Auf einmal entdeckte sie Paw-Paws Hut, der so mit Wasser vollgesogen war, dass er nicht länger auf der Oberfläche trieb, sondern reglos unter der Oberfläche lag. Sie zog ihn aus dem Wasser. Ihre Kehle war plötzlich
wie zugeschnürt und ihr Mund so trocken, dass ihr die Stimme fehlte, um loszuschreien.
    Sie musste nur ein paar Schritte weiterwaten, ehe sie die weiten Hosenbeine und Ärmel von Paw-Paws lose sitzendem sam-foo erblickte, die vom Wasser so aufgebauscht waren, dass ihre weit auseinandergespreizten Gliedmaßen nicht größer als die eines Kindes aussahen. Paw-Paw trieb mit dem Gesicht nach unten auf dem Wasser. Ihre Gestalt verschmolz mit dem schlammigen Wasser. Das leere Fischnetz trieb neben ihr.
    Siu-Sing ließ sich auf die Knie fallen und hob den leblosen Körper an, der beinahe zu schwer war, um ihn aus dem Wasser zu heben. Fischs Mund stand offen, eine dünne Haarsträhne klebte über ihren geschlossenen Augen. Wasser lief aus ihrer Kleidung, als Siu-Sing sie halb trug, halb ins seichte Wasser schubste und zerrte. Unter Siu-Sings Hand stand Fischs Herz still, das dünne Handgelenk war leblos. Von einem Kummer geschüttelt, den sie noch nie erlebt hatte, zwang Siu-Sing ihr warmes Chi, in den vollgesogenen Körper zu fließen, und flehte die Götter an, die so lang über diese großartige Dame gewacht hatten, sie zurückzubringen und Siu-Sing zu helfen, das Boot aus dem Wasser zu ziehen, während ihre Füße Abdrücke im Sand hinterließen.
    Siu-Sing rief nicht um Hilfe. Sie wusste, dass Meister To zu weit weg war, um sie zu hören, und irgendein Schilfschneider oder Bootsmann, der gerade in Hörweite unterwegs war, würde dem Schrei einer jarp-jung keine Beachtung schenken. Siu-Sing konnte Fisch nur fest an sich drücken und ihr Abschiedsworte zuflüstern. Als sie ihre leblosen Finger an ihre Lippen drückte, konnte sie durch einen Tränenschleier erkennen, dass das Geburtsarmband aus Jade, das so sehr zu dieser tapferen Frau gehörte, dass man es ihr nicht einmal im Tod abnehmen sollte, verschwunden war.

    Als Meister To sie im Morgengrauen fand, saß Siu-Sing stumm neben der Leiche. Sie hatte die Gliedmaßen der alten Frau ausgestreckt, ihr Gesicht und Haar von Unkraut und Schlamm befreit
und war gerade dabei, ihr die Kleider zurechtzustreichen und einen Blumenkranz in die Hand zu legen. »Ich wollte nicht, dass die Landkrebse sie finden«, sagte sie schlicht, als er den Leichnam seiner Cousine hochhob und sie den Pfad entlang zum Ort des klaren Wassers trug.
    »Sie wird hier in ewigem Frieden und ewiger Glückseligkeit ruhen und auch weiterhin immer über dich wachen«, erklärte er. »Sie wird alles, was du lernen willst, mit dir teilen, so wie sie es seit deiner Geburt getan hat.«
    Sie bauten einen Sarg aus Bambus und hoben ein Grab aus, das dem See zugewandt war. Zusammen trugen Siu-Sing und er

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