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Die Tochter der Konkubine

Die Tochter der Konkubine

Titel: Die Tochter der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pai Kit Fai
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älter und offenbar von geschickter Hand sorgfältig angefertigt.
    Aus dem Bilderrahmen blickte sie eine Frau mit einem strahlenden Lächeln an, der Mann neben ihr sah seltsamer aus als alles, was Siu-Sing bisher gesehen hatte.
    »Das sind dein Vater und deine Mutter - Master Ben und Li-Xia. Deine Mutter war so lieng wie jede Blume, aber stärker als der höchste Baum. Dein Vater kommt aus einem fernen Land, aber deine Mutter war Chinesin. Unseren Leuten ist Ben als Di-Fo-Lo bekannt, den westlichen Menschen als Devereaux. Captain Ben Devereaux. Er ist ein mutiger und erfolgreicher Mann, der deine Mutter sehr geliebt hat.«

    Siu-Sing holte eine goldene Münze, die an einer feinen Goldkette hing, aus dem Seidenbeutel. »Deine Mutter hat im Laufe ihres Lebens tausend Goldstücke gesammelt. Dies ist das erste davon, es hat ihr mehr bedeutet hat als alle anderen. Dein Vater hat es ihr geschenkt. Er hat mit Hilfe dieser einen Münze ein Vermögen gemacht, von dem er wunderschöne Schiffe und feine Häuser hat bauen lassen.«
    Außerdem steckte in dem Beutel ein Jade-Handschmeichler so weiß wie Talg, in dem, hielt man ihn gegen das Licht, rote und orangefarbene Streifen sichtbar wurden. »Dieser Stein wird auch Orangenschalen-Jade genannt und ist sehr selten. Er hat deiner Großmutter Pai-Ling gehört, einer Frau mit Lotusfüßen, die aus einer feinen Shanghaier Familie stammte. Er wurde an deine Mutter weitergegeben. Sie hat ihn immer fest umklammert, wenn sie einsam war oder Angst hatte. Sie sagte, er tröste sie und bringe den Geist ihrer Mutter immer zu ihr.«
    Fisch schüttelte traurig den Kopf, als fiele es ihr schwer, diese Erinnerungen zu ertragen. Gleich darauf aber gelang ihr wieder ihr augenzwinkerndes Lächeln. Sie übergab Siu-Sing das scharlachrote Buch, dessen Lederdeckel mit Pfingstrosen verziert war. Siu-Sings Fingerspitzen glitten über die eingestanzten Goldbuchstaben, die sich weich und glatt anfühlten.
    »Das ist der Name deiner Mutter, so wie dein Vater ihn ausgesprochen hat … Er hat sie Li-Schia genannt.«
    Siu-Sing öffnete die Goldschließe und war entzückt, als sie sah, dass die Buchseiten mit wunderschöner Schrift zweier Welten beschrieben und an den Rändern mit zarten Bildern verziert waren, winzigen, aber vollkommenen Zeichnungen, einige davon mit dem feinsten Pinsel gezeichnet, andere, noch filigranere, mit der Spitze einer Schreibfeder. Dazwischen lagen Blätter und Blütenblätter, die gepresst worden waren, um für immer erhalten zu bleiben.
    »Deine Mutter hat mir erzählt, dies seien die Blätter eines Maulbeerbaums - und zwar die eines ganz besonderen, den sie den Geisterbaum genannt hat. Diese Blumen hier heißen Mentzelien;
sie hat sie in ihrem Haar getragen, als sie deinen Vater geheiratet hat.«
    Fisch schwieg, während Siu-Sing die Seiten so ehrfürchtig umblätterte, als wäre jede davon aus purem Gold. »Das ist das Tagebuch deiner Mutter. Sie sagte, darin seien ihre ›tausend Goldstücke‹ aufbewahrt, die du mit ihr teilen sollst. Sie hat in den letzten Monaten ihres Lebens jeden Tag hineingeschrieben.« Fisch machte einen langen und schmerzerfüllten Atemzug. »Ich nehme an, sie wusste, dass ihre Zeit begrenzt war, und hat dies einzig und allein für dich geschrieben.«
    Sing öffnete das zweite Buch. Seine vergilbten Seiten waren ebenso schön, aber mit einer anderen Handschrift beschrieben; die Wasserfarben waren verblasst, die Naht brüchig, und die Seiten waren lose. »Dies ist das Tagebuch deiner Großmutter Pai-Ling. Als sie in deinem Alter war, hat deine Mutter dieses Buch wie einen Schatz gehegt.« Fisch legte ihren düsteren Tonfall ab. »Auch dieser Schal war ihr sehr wichtig; sie nannte ihn ihre Glücksseide. Wenn sie traurig war oder sich sorgte, band sie ihn sich ins Haar.«
    Sing musterte die winzige Stickerei, die ein kleines Wäldchen zeigte, dazu kleine Figuren mit Körben auf dem Rücken. Um den Rand herum waren Eichhörnchen und Finken gestickt worden. Für diesen Augenblick fehlten ihr die Worte. Sie schloss die Bücher und wickelte die Glücksseide um sie.
    Die Glätte des Jade-Handschmeichlers fühlte sich in ihrer Handfläche an wie warmer Satin. Lange betrachtete sie das Foto in dem angelaufenen Silberrahmen.
    »Es gibt da noch etwas, das ich dir geben soll«, sagte Fisch. »Ich kenne weder seinen Zweck noch seinen Wert, aber deine Mutter meinte, das würdest du schon selbst herausfinden.« Der Gegenstand, der sich in einem Ledersäckchen befand,

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