Die Tochter der Konkubine
viele große und schwere Felsen heran, um die Ruhestätte vor wilden Tieren zu schützen. Darüber bepflanzten sie den fruchtbaren Lichtungsboden mit Blumen, die auch im Schatten blühten. Vorher hatte Siu-Sing aus Steinen, die sie im Teich gesammelt hatte, einen Steingarten angelegt. Dabei hatte sie nur Steine mit perfekter Form und Farbe ausgewählt.
Sie knieten vor dem fertigen Grab, und Meister To nahm Siu-Sings Hand. »Deine weise Paw-Paw war schon sehr alt. Sie war nicht krank, aber ihr Herz hatte schwer zu tragen … vielleicht schwerer, als es konnte. Freu dich, dass sie nun ruhen kann und trotzdem für immer bei uns ist.« Sie sprachen nicht mehr von Fischs plötzlichem Tod und fragten auch nicht bei den Schilfschneidern und Bootsmännern nach. Sing führte ihre Studien am Ort des klaren Wassers fort, sammelte jeden Tag frische Früchte und Blumen und versuchte, das Rätsel des Jadearmbands zu vergessen.
23. KAPITEL
Die letzte Schülerin
Siu-Sing vermochte sich im Sumpfland so leise fortzubewegen wie ein Blaureiher, weshalb sie mitunter Dinge zu sehen bekam, die nicht für ihre Augen bestimmt waren. An einem heißen Spätnachmittag befand sie sich tief im Schilf - sie hatte ihre Studien beendet und Garnelen für den Kochtopf gefangen -, als sie nahebei das trällernde Gelächter eines Mädchens vernahm. Sie folgte ihm lautlos und fragte sich unvermittelt, ob sie entdecken würde, dass die Besitzerin der Stimme an ihrem Handgelenk einen schlichten Jadearmreif trug. Durch den Schilfvorhang sah sie in der Mitte einer kleinen Lichtung eine junge Hakkafrau stehen, die sich ihrer Kleider entledigt hatte. Ihr nackter Körper, nach Sitte ihrer Leute stets gut vor der Sonne geschützt, leuchtete so weiß wie eine Lilie.
Aufeinander gestapelte Schilfrohrbündel dienten als Behelfsbett, auf das die junge Frau ihre Arbeitskluft geworfen hatte. Die Luft war erfüllt vom süßen Duft des aufsteigenden Safts frisch abgetrennter Stiele, was diesem verborgenen Ort etwas magisch Geheimnisvolles verlieh. Die Frau beugte sich hinunter, um Arme und Hals mit frischem, kaltem Wasser zu waschen, und warf sich das nasse Haar über die kräftigen Schultern.
Sie schien mit jemandem zu sprechen, den Sing noch nicht sehen konnte. Sie stand mit himmelwärts gerichtetem Gesicht da, und ihr langer, schwarzer Pferdeschwanz stand in starkem Kontrast zu ihrem blassen Rücken. Auf ihren Brüsten glitzerten Wassertropfen. Ihre lachende Botschaft, die Sing nicht so recht verstanden hatte, wurde von einer Männerstimme beantwortet. Die Frau drehte sich in deren Richtung, zeigte ein Gesicht, das noch immer jung war,
schob sich die Haare von den Augen und bedeckte ihre Brüste verspielt mit den Händen.
Ein Mann trat ins Blickfeld, größer und älter. Sein Oberkörper war entblößt und sonnengebräunt. Er trat nahe an sie heran, und sie streckte die Arme nach ihm aus. Siu-Sing konnte einfach nicht fortsehen. Was nun geschah, war ihr kein völliges Geheimnis mehr. Sie hatte schon bei den Ziegen gesehen, dass eine die andere auf diese Weise bestiegen hatte. Sie sah stumm zu, seltsam berührt von den Lauten ihrer Lust.
Abends, im Bett, ging ihr das Erlebte nicht aus dem Kopf, doch sie wollte nur ungern mit Meister To darüber sprechen. Er hatte gesagt, ein Krieger sei weder männlich noch weiblich und dass sie auf dem Felsen gleich seien, nur dass sie nicht immer auf dem Felsen bleiben werde. Sie fragte sich, ob sie eines Tages auch so etwas erleben würde, und konnte eine gewisse Neugierde nicht abstreiten. Würde sie eines Tages auch solche Brüste haben? Sie legte die Hände auf ihre, die noch kaum entwickelt waren, aber eindeutig wuchsen. Würden ihr auch Haare wachsen wie bei der jungen Hakkafrau? Wahrscheinlich schien ihr das nicht, als sie den sprießenden Flaum, so fein wie Distelwolle, zwischen ihren Beinen befühlte. Sie hörte das gleichmäßige Atmen von Meister To in seiner Hüttenecke und versuchte, dieses neue Wunder im Zaum zu halten, ohne ein Geräusch zu machen.
Stunden später, nachdem sie in einen tiefen Schlaf gefallen war, wachte Sing auf und entdeckte Blutflecken an ihren Händen und auf ihrem Bettlaken. Erst da stieg die Angst darüber in ihr hoch, was sie getan hatte. Sie hätte wissen müssen, dass solch ein heimliches Vergnügen nicht ohne Strafe abging. Sie hatte sich selbst verletzt, und sollte es je wieder heilen, würde sie nie mehr an den braunen Körper des Mannes denken, der gegen die weiße Haut so dunkel
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