Die Tochter der Konkubine
wog schwer in Siu-Sings Hand. In dem Beutel fand sie schließlich eine goldene Drachenklaue zusammen mit einer Reihe von Stahlnadeln.
Fisch sagte sanft: »Es wird der Tag kommen, an dem wir den See verlassen und zu dem Goldenen Hügel auf der anderen Seite der
Berge reisen müssen. Es war der letzte Wunsch deiner Mutter, dass du wieder mit deinem Vater vereint sein sollst. Du bereitest dich ausgiebig und hart auf diese Reise vor, und ich habe diese kostbaren Dinge zehn Jahre sicher für dich aufbewahrt.«
Sie umarmte Sing und küsste sie auf die Stirn. »Von nun an bewahrst du sie auf… sie sind nicht dazu bestimmt, geteilt zu werden, nicht einmal mit mir. Wenn du bereit bist, werden wir sie zurück in die Truhe legen, und ich werde dir das Geheimnis ihres Schlosses erklären. Aber nun lass uns Tee trinken, während ich dir alles erzähle, was es über Li-Xia und Meister Ben zu wissen gibt.«
Ob bei Eiseskälte, strömendem Regen oder gnadenloser Hitze: Das Training mit ihrem geliebten si-fu fand immer statt. Am Ort des klaren Wassers lernte Siu-Sing an ihrem Jadetisch, oft mit Fisch an ihrer Seite. Die alte Dame mischte sich nie ein, war aber immer gern bereit, etwas zu erklären, falls nötig, und stets stand ein Korb mit Essen nahebei - mit in Spinatblätter gewickeltem Klebreis, Dampfbrot und grünem Tee in einer Wärmekanne aus Korbgeflecht.
Fisch wirkte von Jahr zu Jahr gereifter, doch ansonsten schien ihr die Zeit nichts anhaben zu können.
An jenem friedlichen Nachmittag war der Schwung, mit dem sie das yulow, das lange Ruder, das mittlerweile wie ein Teil von ihr wirkte, bediente, genauso fest und stark wie immer, als sie das flache Boot durch das Sumpfland steuerte, um die Krabbenfallen fürs Abendessen zu leeren.
Das flache Blatt des Ruders erzeugte im Wasser bedächtige Wirbel; die Schilfhaine wisperten, als sie vorbeifuhren, und manchmal erhob sich ganz plötzlich mit kräftigem Flügelschlag ein Löffelreiher in die Lüfte. Die erste Falle enthielt zwei Krabben, die kurz darauf wild zappelnd auf den Bodenplanken lagen und deren Zangen mit Schilf zusammengebunden wurden. Die zweite Falle aber fand Fisch leer vor, hochgezogen und mit weit geöffneter Klappe zurückgelassen.
»Die Schilfschneider sind Diebe und Lügner. Sie stehlen aus unseren Fallen und schwören vor ihren Göttern, dass sie es nicht waren.« Fisch stieß eine Reihe von Tanka-Flüchen aus, die Tote hätten wecken können, ehe sie die Falle mit einem frischen Köder bestückte.
»Dein si-fu gibt ihnen Kräuter, die sie nicht bezahlen können, und macht sie gesund, trotzdem stehlen sie ihm das Essen vom Tisch. Zwei Krabben und drei kleine Fische reichen nicht.« Wütend stieß sie das yulow tief in den Schlamm und band den Sampan daran fest. Mit bloßen Füßen stieg sie in das seichte Wasser, so dass ockerfarbene Schlammwolken aufwirbelten. Sie nahm zwei breite Kescher vom Boden des Bootes, die an schlanken Bambusstäben steckten, und gab einen davon Siu-Sing.
»Na, dann wollen wir doch mal sehen, ob wir nicht ein paar Shrimps oder vielleicht einen Plattfisch fangen können. Ich werde es an den tieferen Stellen versuchen, du bleibst einfach dicht am Ufer.«
Sie watete in das ungeschnittene Schilf hinein, das sich wie eine Schutzwand hinter ihr schloss. »Wir treffen uns spätestens in einer halben Stunde wieder hier und sehen, was wir bis dahin gefangen haben.«
Das Wasser umgab Sings Knie angenehm kühl. Mit jedem vorsichtigen Schritt wirbelte sie gelbe Schlammwolken auf. Das Licht der untergehenden Sonne durchdrang bereits das Sumpfland, als Siu-Sing beschloss, es sei an der Zeit, zum Sampan zurückzukehren. Sie war daran gewöhnt, die Uhrzeit an der Sonne abzulesen, und irrte sich selten. In ihrem Netz zog und wand sich ein lebhafter Aal - eines ihrer Lieblingsgerichte, wenn es ihn mit schwarzen Bohnen und Pfefferkörnern zu essen gab.
Mühelos folgte sie dem Schlammpfad, der zum Sampan führte, holte die lebendige Beute aus dem Netz und befreite sie von Unkraut. Jeden Moment würde sie Fischs Stimme hören, die sich grummelnd darüber beschwerte, dass die Schilfschneider die Fische verängstigten, und die Bootsmänner dafür verfluchte, dass
sie das Sumpfland ausbaggerten. Als sie außer dem Chor eines weit entfernten Reiherschwarms, der sich auf den Sandbänken niederließ, nichts hörte, rief sie laut: »Paw-Paw, die Flut kommt, wir müssen los! Paaaaw- Paaaaw !«
Sie ließ einen Schrei folgen, der wie der eines
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