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Die Tochter der Konkubine

Die Tochter der Konkubine

Titel: Die Tochter der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pai Kit Fai
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die Hand eines Freundes nicht akzeptieren willst, biete ich sie dir nicht mehr an, bis du alt genug und ihrer würdig bist. Ich gehöre nicht länger in die Ecke des Kräuterschuppens und bin auch nicht länger auf die Krumen angewiesen, die man mir hinwirft. Aber ich hasse weder dich noch den alten To.«
    Ah-Keung verneigte sich mit einem kurzen, steifen Kopfnicken. »Ich mache dir keine Vorwürfe, dass du meinen Platz in der Hütte und auf dem Felsen eingenommen hast. Ich begegne dir wie ein Krieger dem anderen.«
    Ihre Antwort kam prompt. »Ich bin stolz, die Schülerin meines Meisters zu sein, aber ich bin keine Kriegerin. Ich lerne den Stil des weißen Kranichs nicht, um zu kämpfen, sondern um zu überleben.«
    Der Energische schüttelte den Kopf und lachte frostig. »Glaub mir, Kleiner Stern, überleben bedeutet kämpfen, einen anderen Weg gibt es nicht.«
    »Nein, überleben bedeutet, stark zu sein und denken zu lernen … Wissen zu suchen und Frieden zu finden. Das ist der bessere Weg.«

    »Nun, da werden wir uns wohl nicht einig, aber ich wünsche dir alles Gute. Ich bin gekommen, um mich zu verabschieden, ehe ich auf dem großen Fluss in die Welt jenseits der Berge reise. Ich werde nicht lang fort sein und dir dann berichten.«
    »Ich wünsche dir eine gute Reise«, sagte Siu-Sing, während sie ihre Papiere und die er-hu zusammensuchte. Leichtfüßig lief sie auf dem Ziegenpfad davon und spürte, wie der seltsame neue Blick Ah-Keungs jedem ihrer Schritte folgte.

22. KAPITEL
    Li-Xias Vermächtnis
    Seit Ah-Keungs Abschied waren zwei Jahre vergangen, und Siu-Sing hatte ihn beinahe vergessen. An diesem besonderen Tag gab es kein Training, nur einen friedlichen Aufenthalt am Ort des klaren Wassers.
    Siu-Sing las am Jadetisch und bemerkte weder den Gesang der Zikaden noch das Zirpen einer versteckten Grille.
    Ein plötzlicher Regenbogenstrahl ließ sie aufblicken. Ein Kolibri, strahlend wie eine Waldorchidee, schwebte über einem Meer aus blauer Iris. Das Geräusch, das seine Flügel erzeugten, war nicht lauter als das einer Biene. Der strahlende Glanz seiner Farben entzückte sie, als er bewegungslos in der Luft hing, schimmernd wie ein blau-grünes Juwel und mit einem von Pollen bedeckten nadelförmigen Schnabel.
    Sie beobachtete ihn, wie er über die Lichtung schoss und dann unvermittelt innehielt und mitten in der Luft zitterte, als hätte er einen unsichtbaren Schlag erhalten. Die Zikaden schienen zu verstummen, als eine Spinne, so groß wie Siu-Sings Hand, sich gierig an den seidenen Sprossen ihres unsichtbaren Netzes hinunterbewegte. Zu Siu-Sings Schrecken umschloss die Spinne das strahlende Juwel mit ihren langen pelzigen Beinen, drehte es immer wieder herum und umwickelte seine glänzenden Flügel so mit klebrigem, flüssigem Silber. Schließlich vibrierte das Netz nicht mehr, und die Spinne begann zu fressen.
    »Hier siehst du, wie durch Verrat Unschuld getäuscht und Schönheit zerstört wird.« Fisch sprach aus dem Halbschatten der Lichtung heraus, wo sie, einen Korb in der Hand, gestanden hatte.
»Der Kolibri war glücklich. Nichts hat ihn vor seinem schrecklichen Tod gewarnt. Das soll dir eine Lehre sein.«
    Fisch nahm neben Siu-Sing Platz und holte das perlenbesetzte Tragetuch aus ihrem Korb. »Dieses Tragetuch habe ich für deine Mutter gemacht, damit sie dich auf ihrem Rücken durch die Ti-Yuan-Gärten tragen kann. Es hat dich schließlich sicher hierher gebracht, zusammen mit anderen kostbaren Dingen.« Fisch griff in den Beutel und holte ein in gelbe Seide eingeschlagenes Bündel hervor.
    »Heute ist dein zehnter Geburtstag - das Alter der Reife. Du bist kein Kind mehr, sondern eine Frau mit Verantwortung. Ich war oft versucht, dir diese Dinge schon früher zu geben, aber deine Mutter hatte da ziemlich genaue Vorstellungen. Sie wollte, dass du alt genug bist, wenn du sie bekommst, so, wie sie es auch war … und nicht etwa als Spielzeug, sondern als ihre größten Schätze. Diese kleinen Sachen kommen in endloser Liebe zu dir. Sie gehören nun rechtmäßig dir.«
    Siu-Sing wickelte das gelbe Seidengewand aus, das so fein war, dass sie ihre Finger hindurchschimmern sehen konnte. Ein kleiner weißer Satinbeutel, eine Fotografie in einem Silberrahmen, zwei dicke Bücher, die von einem bestickten Seidenschal zusammengehalten wurden, und ein Ledersäckchen kamen zum Vorschein. Die Bücher waren fast gleich groß, eines mit einem scharlachroten Ledereinband und einer Goldschließe, das andere viel

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