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Die Tochter der Konkubine

Die Tochter der Konkubine

Titel: Die Tochter der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pai Kit Fai
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verteidigt. Frauen des Schiffsvolks sterben nicht so schnell. Was weißt du darüber, Hundejunge?«
    Wieder antwortete Ah-Keung leichthin. »Sie war seine Cousine, so alt wie er. Jeden Tag hat sie in den Schilfbänken gefischt und mit jedem Atemzug zu allen Göttern gebetet. Vielleicht war ihre Zeit gekommen, ihnen gegenüberzutreten. Es gibt schlimmere Arten zu sterben als beim Shrimpjagen in seichten Gewässern.«
    Dem Spurenleser, der nun in den Kreis trat, reichte das immer noch nicht. »Und die Dämonin jarp-jung … « Er räusperte sich laut
und spuckte Ah-Keung dann vor die Füße. »Die mit den Augen des Todes, die du an Bord der Dschunke gebracht hast und die sich unter einem Tankahut verborgen hält …« Er verschränkte seine muskulösen Arme vor seiner breiten Brust. »Hast du gedacht, wir merken das nicht?«
    Das Publikum auf seiner Seite wissend, zog der betrunkene Xiang seinen Gürtel prahlerisch hoch. »Ich werde die Schlampe finden und vögeln, ehe ich sie über Bord werfe. Auf diesem Schiff dulden wir keine Dämonen!«
    Die Mannschaft spornte ihn zum Weitermachen an. Niemand bekam mit, wie der Hundejunge mit einem Seitentritt gegen die Brust des Spurenlesers dessen Brustbein knackend entzweibrach. Den kräftigen Mann hob es vom Deck, er flog über die hölzerne Heckreling und verschwand in der Dunkelheit.
    Das Aufklatschen seiner massigen Gestalt auf dem Wasser ging im beifälligen Geschrei unter. Niemand rührte sich, um Alarm zu schlagen. Der Spurenleser war ein Rüpel gewesen, den man am besten allein mit dem Fluss fertig werden ließ … aber vor Ah-Keung, dem Energischen, hatte man nun noch mehr Respekt.
    »Eselsfurz hatte recht, die, die mit mir reist, ist Roter Lotus, die Schülerin To-Tzes, Großmeister des wu-shu ›Weißer Kranich‹. Sie steht unter meinem Schutz.« Er grinste in die Runde. »Aber vielleicht beschütze ich auch euch vor ihr … hier an Bord ist kein einziger Mann, mit dem sie es nicht aufnehmen könnte!«
    Ah-Keungs pechschwarzer Haarschopf schien sich zu sträuben wie die Nackenhaare eines wachsamen Hundes. »Wenn einer sie anrührt, dann wird dieser verdrehte Fuß ihn finden, und er wird mit dem Spurenleser nach Wuhan schwimmen.« Grinsend blickte er in die schweigenden Gesichter ringsum. »Und jetzt lasst die Würfel werfen und sehen, wohin sie fallen.«

    In den Tagen, die sie an der Küste entlang und durch die Straße von Formosa fuhren, dachte Siu-Sing über Ah-Keung nach. In jener Nacht hatten die Männer bis zum Morgengrauen gespielt und
sich dann an Ort und Stelle schlafen gelegt. Die Dschunke hatte die Schluchten und ihre tückischen Gewässer hinter sich gelassen und ihre riesigen schlammfarbenen Segel gehisst. Als das Tageslicht den Fluss mit wässrigem Sonnenschein überzog, stand Siu-Sing aufrecht am Bug, um den weißen Delfinen des Yangtze dabei zuzusehen, wie sie die Bugwelle durchbohrten, und die Brise einzuatmen, die über die kabbeligen gelben Gewässer wehte.
    Ah-Keung hatte sie überzeugend verteidigt. Er hatte dafür gesorgt, dass sie aus der Mannschaftskombüse gut zu essen bekam und man sie in Frieden ließ. Angeblich hatte er auf der Gum Sarn bereits Arbeit gefunden, so sagte er, und einen Platz, wo sie bleiben konnten. Ja, er kannte Leute, die helfen würden, ihren Vater zu finden. Er wirkte aufrichtig, und sie hatte gesehen, wie sehr Meister Tos Tod ihn getroffen hatte. Und doch wusste sie, dass sie über den Energischen, der auf ewig das Knurren des Tigers auf der Brust und das Gift der Kobra auf dem Rücken tragen würde, vieles nicht wusste.

    Inmitten einer Kolonie von Sampans und Schuten, die so eng nebeneinanderlagen, dass man von einer auf die nächste springen konnte, fuhren sie in Macaos Taifun-Schutzhafen ein. Siu-Sing hielt es für das Beste, die Blicke, die man ihr zuwarf, nicht zu erwidern. Manche fluchten, manche lachten, andere spotteten, aber keiner hieß sie willkommen. Gegen ihre Furcht kämpfte sie auf die einzige Art an, die sie kannte, und zwar, indem sie sie zu ihrem Feind machte und eine Mauer um ihr Herz errichtete. Sie gesellte sich nicht zu den Leuten, die die Decks bevölkerten, lärmende Kinder vor sich hertrieben und in fieberhafter Eile Gepäck hochhoben. Stattdessen wartete sie am Bug darauf, dass sich der Tumult legte.
    Die Dschunke näherte sich langsam dem Kai. Ratten huschten zwischen mit Entenmuscheln besetzten Pfählen umher, Tauben hielten Ausschau nach verschüttetem Korn. Nie hatte Siu-Sing sich in der

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