Die Tochter der Konkubine
dreinblickenden Amahs zurück und erinnerte sich daran, sich zu verbeugen und Respekt zu zeigen, wie Meister To es sie gelehrt hatte.
»Verzeihung, aber der, der mich hergebracht hat, ist nicht mein Bruder. Er hat Sie hintergangen, wie er auch mich hintergangen hat!«
Die schrille Stimme schnitt ihr das Wort ab. »Verleugne die Fürsorge eines älteren Bruders nicht und stelle dein Glück nicht in Frage! Du wirst den Jade-Amahs gehorchen, oder sie haben meine Erlaubnis, dich zu schlagen!«
»Aber Sie können doch sehen, mein Herr, dass ich nicht von seinem Blut bin oder aus seiner Sippe stamme. Ich habe sowohl weiße als auch chinesische Vorfahren. Mein Vater ist ein ausländischer Schiffskapitän, ein Taipan des Seiden - und Teehandels. Er sucht nach mir und wird für meine sichere Rückkehr viele Silber-Taels
zahlen. Er ist unter dem Namen Di-Fo-Lo bekannt. Helfen Sie mir, ihn zu finden, und er wird sich als äußerst großzügig erweisen.«
Der fette Fan rülpste, und seine dünnen schwarzen Brauen zogen sich verärgert zusammen. »Davon weiß ich nichts. Der sung-tip ist in Anwesenheit von Zeugen unterschrieben und der Preis bezahlt worden. Jetzt gehörst du mir. Wenn du deine Arbeit verrichtest, nicht stiehlst, dich nicht beklagst, keine weiteren Lügen erzählst und keine Schwierigkeiten machst, dann wirst du gut behandelt werden. Wenn du undankbar bist und die Jade-Amahs verärgerst, werden sie es mir berichten, und du wirst dir wünschen, du hättest dich nie durch die Tore des Doppelten Glücks begeben.«
Er fuchtelte gereizt mit der Fliegenpeitsche herum, und der Thron drehte sich weiter. »Sollte dein gwai-lo -Vater dich hier finden, werden wir schon ins Geschäft kommen. Bis dahin bist du mooi-jai Nummer Zwei. Von reichen fremden Teufeln will ich nichts mehr hören.«
Auf ratternden Rädern verschwand er in die Düsterheit, und Siu-Sing folgte den Amahs, wobei das stete Quietschen des bereiften Throns ihnen den Weg durch einen Perlenvorhang zeigte, der zu einem aus trübem Glas erbauten Vorraum führte, welcher von Zwitschern, Trällern, Trillern und vollkehligem Vogelgesang erfüllt war. Käfige in jeder Form und Größe hingen zwischen glasierten Drachentöpfen mit blühenden Pflanzen darin. Die Vögel zwitscherten und trillerten in ihren kleinen Gefängnissen in endloser Disharmonie. Siu-Sing fühlte sich sofort in die Bambushaine hoch oben auf den Hängen von Tung-Ting zurückversetzt, und sie bekam Sehnsucht nach dem Ort des klaren Wassers.
Mittendrin saß eine Frau auf einem Pfauenstuhl, dünn und hager, die sich eine Steppjacke aus schwarzer Seide und eine Lage Wollschals um die gekrümmten Schultern gelegt hatte. Mit der einen Hand umklammerte sie die Schals, während sie sich mit der anderen mit einem Taschentuch den Mund abtupfte. »Da hast du also wieder mal eine streunende Katze aufgelesen!«, presste sie mühsam mit wütender Stimme hervor.
Fans schlaffe Fettwangen zitterten, als er lahm erwiderte: »Eine mooi-jai , ein heimatloses Kind für die Spülküche.« Er hielt eine Hand hoch, an deren Fingern Ringe glitzerten. »Ein Schnäppchen, meine Blume aller Blumen, nur fünfzig Hongkong-Dollar.«
»Verschwendetes Geld, du hirnloser geiler Bock«, schnaubte sie verächtlich und bekam dann einen Hustenanfall. »Sieh zu, dass sie nicht zu viel isst und sich nur in der Küche aufhält, sonst wird sie Ah-Kwoks Gerte kennenlernen.«
In der großen, hallenden Küche bekam Siu-Sing Arbeit unter öligen Woks und endlosen Gemüsekörben zugeteilt. Von der Decke hingen Speck, geräucherter Schinken und eingelegte Schweineköpfe, dazu Knoblauchstränge, getrocknete Kräutersträuße und reihenweise geräucherte Enten. Ah-Soo, die Köchin, zeigte Siu-Sing ihren Schlafplatz, der neben dem Vorratsraum lag. Die als Bett dienende Holzliege war mit einer dünnen Steppdecke bedeckt. Der Kalender an einer der Wände bildete den einzigen bunten Fleck in diesem engen, fensterlosen Raum. Eine Kerze warf unstetes Licht in Ecken, in denen Reissäcke und Gemüsekörbe gestapelt waren und Regale mit irdenen Töpfen und Behältern mit Wein, eingelegtem Mischgemüse und anderem Eingemachten standen.
Ein rußgeschwärztes Bild von Tsao-Wang, dem Küchengott, neben seinem himmlischen Pferd blickte von seiner rußigen Nische herunter - der einzige Zeuge für das Versteck, das Siu-Sing für ihr Tanka-Tragetuch fand. In der ersten Nacht an diesem neuen Ort hielt sie den Jade-Handschmeichler fest umschlossen und
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